Rz. 4

Die Entstehung der Sachhaftung ist unabhängig von der Entstehung des Steueranspruchs. Hierin unterscheidet sich die Sachhaftung von den persönlichen Haftungstatbeständen, bei denen der Haftungsanspruch akzessorisch zum Steueranspruch ist. Die Sachhaftung und damit die Möglichkeit der Beschlagnahme von Waren kann auch schon vor der Steuerschuld entstehen. Eine Verwertung der beschlagnahmten Ware kann allerdings erst nach der Festsetzung des später entstandenen Steueranspruchs erfolgen. Nach § 76 Abs. 2 AO entsteht die Sachhaftung bei verbrauchsteuer- und zollpflichtigen Waren, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, mit ihrem Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren außerdem mit dem Beginn ihrer Gewinnung oder Herstellung.[1] Die Entstehung der Sachhaftung wird nicht durch einen vor der Herstellung ergangenen Insolvenzantrag, einen Antrag auf vorläufige Insolvenzverwaltung und die Untersagung von Maßnahmen gegen den Schuldner gehindert.[2]

3.2.1 Zollpflichtige Waren

 

Rz. 5

Die Sachhaftung entsteht, sobald eine Ware, die einem Zoll als Einfuhrabgabe unterliegt, in den Geltungsbereich des Gesetzes verbracht wird. Der Geltungsbereich der AO erstreckt sich mangels einer gesetzlichen Regelung entsprechend dem völkerrechtlichen Territorialprinzip auf das Staatsgebiet, das der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland unterliegt. Eine Ware ist verbracht, wenn sie mit menschlichem Willen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gelangt ist.[1] Der Zeitpunkt der Entstehung der Sachhaftung deckt sich mit dem Zeitpunkt der Zollschuldentstehung lediglich in den Fällen des vorschriftswidrigen Verbringens einer Ware in den Geltungsbereich dieses Gesetzes.[2] Bei vorschriftsgemäßem Verbringen einer Ware entsteht die Zollschuld erst mit der Annahme der Zollanmeldung[3], also zu einem späteren Zeitpunkt als dem des Verbringens. Wird eine Ware aus der zollamtlichen Überwachung entzogen[4] oder liegen andere Verfehlungen vor[5], fallen die Entstehung der Sachhaftung und die Entstehung der Steuerschuld ebenfalls auseinander.

[2] Art. 202 Abs. 2 ZK, Art. 202 UZK.
[3] Art. 201 Abs. 2 ZK, Art. 77 UZK.
[4] Art. 203 ZK, Art. 203 UZK.
[5] Art. 204, 205 ZK, Art. 204, 205 UZK.

3.2.2 Verbrauchsteuerpflichtige Waren

 

Rz. 6

Abs. 2 wurde auch in Bezug auf die verbrauchsteuerpflichtigen Waren neu gefasst. Um den alten Rechtszustand auch im freien Binnenmarkt aufrecht zu erhalten, wurde der Begriff "Einfuhr" (so die a. F.), der nach der Terminologie des ZK nur noch das Verbringen einer zoll- oder verbrauchsteuerpflichtigen Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft erfasst, ersetzt durch "Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes". Damit ist sichergestellt, dass bei Verbringen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus einem anderen Mitgliedstaat der EU in den Geltungsbereich der AO die Sachhaftung entsteht.[1] Für verbrauchsteuerpflichtige Waren, die aus einem Drittland eingeführt werden, gelten die Zollvorschriften sinngemäß.[2] Bei der Herstellung oder Gewinnung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Inland führt bereits der Beginn der Gewinnung oder Herstellung zum Entstehen der Sachhaftung. Das bedeutet, dass sich die Sachhaftung bereits auf die Vorprodukte der letztlich verbrauchsteuerpflichtigen Ware erstreckt und sich dann später am fertigen Produkt fortsetzt. Damit dienen bereits die Vorprodukte zur Sicherung des künftigen Steueranspruchs und können beschlagnahmt werden.[3] Das Verwertungsrecht entsteht jedoch erst mit der Festsetzung der entstandenen Steuer. In der Neufassung des Abs. 2 ist die "Gewinnung" nunmehr ausdrücklich genannt, um klarzustellen, dass die Haftung auch die Urproduktion verbrauchsteuerpflichtiger Waren erfasst.[4] Die Haftung nachsteuerbarer Erzeugnisse für die Nachsteuer entsteht nach § 76 Abs. 2 AO gleichzeitig mit der Nachsteuerschuld.[5]

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