Dr. Zacharias-Alexis Schneider
Rz. 20
Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts können beschränkt geschäftsfähige natürliche Personen insbesondere für den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts und für die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses geschäftsfähig sein.
3.1.4.1.1 Ermächtigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts i. S. v. § 112 BGB
Rz. 21
Nach § 112 BGB gilt der beschränkt Geschäftsfähige, der von seinem gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt worden ist, für solche Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, als unbeschränkt geschäftsfähig. Ausgenommen sind nur solche Rechtsgeschäfte, für die nach § 112 Abs. 1 S. 2 BGB auch der Vertreter die Genehmigung des Familiengerichts einholen müsste. Auch im Besteuerungsverfahren ist der beschränkt Geschäftsfähige damit nicht nur Beteiligter, sondern auch verfahrenshandlungsfähig, soweit Gegenstand des Besteuerungsverfahrens die steuerlichen Angelegenheiten dieses Erwerbsgeschäfts sind. Im Übrigen – außerhalb des durch die Ermächtigung begrenzten Tätigkeitsbereichs – bleibt der beschränkt Geschäftsfähige verfahrenshandlungsunfähig. Die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen – i. d. R. gem. § 1629 BGB die Eltern – i. S. v. § 107 BGB zu einzelnen Rechtsgeschäften, durch die der Minderjährige nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, begründet keine partielle Verfahrenshandlungsfähigkeit i. S. v. § 79 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Rz. 22
Der beschränkt Geschäftsfähige kann und muss, da insoweit der gesetzliche Vertreter nicht mehr handlungsfähig ist, Steuererklärungen abgeben und Steuerbescheide entgegennehmen, die den Betrieb betreffen. Er kann auch selbst Einspruch bzw. Klage einlegen. Die Verfahrenshandlungsfähigkeit bezieht sich aber nur auf die betrieblichen Steuern, also bspw. auf die Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Gewerbesteuer, Kraftfahrzeugsteuer in Bezug auf betriebliche Fahrzeuge, Versicherungsteuer etc. Die Ermächtigung zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gibt keine Verfahrenshandlungsfähigkeit für den Bereich der persönlichen Steuern (ESt), da hier die Steuerpflicht nicht ausschließlich als Folge der geschäftlichen Betätigung gesehen werden kann, sondern sich auch aus dem persönlichen Bereich resultierende Tatbestände steuerlich auswirken.
Die beschränkt geschäftsfähige Person kann daher weder wirksam eine Einkommensteuererklärung abgeben, noch ist eine Bekanntgabe eines Einkommensteuerbescheides an diese Person oder eine Anfechtung durch diese Person wirksam.
3.1.4.1.2 Ermächtigung zum Eintritt in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis i. S. v. § 113 BGB
Rz. 23
Nach § 113 BGB ist der beschränkt Geschäftsfähige, den sein gesetzlicher Vertreter ermächtigt hat, "in Dienst oder Arbeit zu treten", für solche Rechtsgeschäfte als unbeschränkt geschäftsfähig anzusehen, "welche die Eingehung oder die Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen". Die partielle Geschäftsfähigkeit erstreckt sich nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach der im Zivilrecht vertretenen einhelligen Rechtsansicht nur auf die mit der Eingehung, Beendigung oder Erfüllung eines Dienst- oder Arbeitsvertrags (nicht eines Lehr- oder Ausbildungsvertrags) eindeutig zusammenhängenden verkehrsüblichen Geschäfte. Der beschränkt Geschäftsfähige hat die aus der Eingehung dieses Arbeitsverhältnisses resultierenden Pflichten zu erfüllen bzw. kann die erwachsenden Ansprüche geltend machen.
Die steuerlichen Pflichten bzw. Ansprüche ergeben sich jedoch nicht unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis, sondern sind begründet in dem steuerlichen Pflichtverhältnis, für das das Arbeitsverhältnis – neben anderen – lediglich ein Tatbestandsmerkmal darstellt. Die Einkommensteuerpflicht kann nicht ausschließlich als Folge der beruflichen Tätigkeit gesehen werden, hier werden auch außerhalb dieser Sphäre liegende Tatbestände (z. B. Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen) berücksichtigt. Ein etwaiger Anspruch auf Erstattung zu viel einbehaltener LSt ist nicht identisch mit dem Anspruch auf Arbeitslohn, die Verfügungsbefugnis kann deshalb nicht aus § 113 BGB hergeleitet werden. Mit dem Arbeitsverhältnis besteht zwar ein tatsächlicher, aber kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang, wie ihn § 113 BGB voraussetzt. Diese einschränkende Auslegung entspricht auch dem in den §§ 104ff. BGB enthaltenen Schutzgedanken zugunsten des Minderjährigen oder sonst beschränkt Geschäftsfähigen. Diese Personen sollen davor bewahrt werden, dass durch rechtsgeschäftliche Handlungen Pflichten für sie erwachsen, deren Inhalt und Umfang sie nicht übersehen können. Die Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren würde aber für die beschränkt Geschäftsfähigen nicht immer nur fi...