Dr. Zacharias-Alexis Schneider
Rz. 27
Eine faktische Beschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit ergibt sich, wenn durch das Betreuungsgericht bzw. durch das Familiengericht bei Beteiligten eine Betreuung angeordnet ist. Ein Betreuer kann nach § 1986 Abs. 1 BGB für eine handlungsfähige natürliche Person bestellt werden, wenn diese aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Der Aufgabenkreis des Betreuers wird bei dessen Bestellung festgelegt. Es kann eine "Totalbetreuung", aber auch eine "Teilbetreuung" angeordnet werden. Letztere wirkt sich für das Verwaltungsverfahren der Finanzbehörde nur dann aus, wenn sie für die Wahrnehmung der rechtsgeschäftlichen Belange des Betreuten angeordnet ist. Diese umfasst die "steuerliche Betreuung", die allerdings auch gesondert angeordnet werden kann.
Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer gem. § 1902 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Gemäß § 34 Abs. 1 AO ist er danach verpflichtet, die steuerlichen Pflichten des betreuten Beteiligten als eigene Pflichten wahrzunehmen. Durch die gerichtliche Anordnung der Betreuung wird die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit und somit auch die Steuerrechtsfähigkeit, die Beteiligungsfähigkeit sowie die Handlungsfähigkeit des Betreuten und damit dessen Fähigkeit, Handlungen im Steuerverwaltungsverfahren selbst vorzunehmen, nicht eingeschränkt. Der Betreuer ist nur ein "zusätzlicher Beistand" für den Betreuten. Damit stehen im Verfahren Betreuer und Betreute grundsätzlich rechtlich gleichwertig nebeneinander. § 79 Abs. 3 AO i. V. m. § 53 ZPO will widersprechende Verfahrenshandlungen durch den Betreuten und den Betreuer auflösen, indem – die Handlungsunfähigkeit des Betreuten unterstellt – im Interesse einer sachgemäßen und einheitlichen Verfahrensführung den Handlungen des Betreuers der Vorrang eingeräumt wird.
Rz. 28
Nimmt der bestellte Vertreter im Rahmen der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten Verfahrenshandlungen als Vertreter tatsächlich auf, gilt der Betreute insoweit als verfahrenshandlungsunfähig. Wenn und soweit der Betreuer jedoch tatsächlich nicht tätig wird, bleibt der Betreute partiell verfahrenshandlungsfähig. Der Betreute kann insoweit auch (weiterhin) bspw. Steuererklärungen abgeben oder Rechtsbehelfe einlegen. Der Betreuer kann jederzeit, auch bei einem Widerspruch des Betreuten, in das Verfahren eintreten. Bereits vorgenommene Verfahrenshandlungen bleiben auch nach dem tatsächlichen Tätigwerden des Betreuten wirksam. Steht jedoch eine Verfahrenshandlung im Widerspruch zu derjenigen des Betreuten, ist nur die Handlung des Betreuers wirksam. Die Vertretung dauert, bis die Betreuung nach § 1908 Abs. 1 S. 1 BGB durch das Betreuungs- bzw. Familiengericht aufgehoben wird. Bekanntgaben und Zustellungen von Verwaltungsakten haben ab dem Verfahrenseintritt zwingend an den Betreuer zu erfolgen.
Rz. 29
Neben der Betreuung kann durch das Betreuungsgericht bzw. das Familiengericht bei Beteiligten nach § 1903 BGB auch ein sog. Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden, soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Aufgrund des Einwilligungsvorbehalts bedarf der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung, sofern der Betreute durch die Willenserklärung nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt oder die Willenserklärung eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft. Der Umfang des Einwilligungsvorbehalts richtet sich nach der Anordnung des Betreuungsgerichts. Zweckmäßig aber keinesfalls zwingend ist die konkrete Inbezugnahme der steuerlichen Rechte und Pflichten in der Anordnung. Ausreichend ist aber auch der Sachzusammenhang der steuerlichen Pflichten mit dem übertragenen Aufgabenkreis, wie bspw. den beruflichen oder betrieblichen Angelegenheiten des Betreuten. Für die Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten des Betreuten, bewirkt nach § 79 Abs. 2 AO der Einwilligungsvorbehalt eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betreuten in Steuersachen. Rechtlich erhält der Betreute insoweit die Rechtsstellung eines beschränkt Geschäftsfähigen. Nach § 1903 Abs. 1 S. 2 BGB gelten die §§ 108–113, 131 Abs. 2, 206 BGB entsprechend.