Dr. Zacharias-Alexis Schneider
1.8.1 Begriff der Vollmacht
Rz. 25
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Vollmacht häufig die Urkunde über die Vollmachtserteilung verstanden. Demgegenüber ist die Vollmacht nach der Legaldefinition des § 166 Abs. 2 BGB – wie sie vergleichbar auch in § 80 AO zugrunde liegt – die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Die Erklärung des Beteiligten, durch einen bestimmten Bevollmächtigten vertreten sein zu wollen, ist jedoch insoweit kein Rechtsgeschäft, sondern eine Verfahrenshandlung.
1.8.2 Wesen der Vollmachtserteilung
Rz. 26
Die Vollmachtserteilung ist rechtlich unabhängig von dem zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen bestehenden Rechtsverhältnis. Entsprechend § 167 Abs. 1 BGB erfolgt sie durch Erklärung des Beteiligten. Diese begründet die Rechtsstellung des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren. Die Erklärung ist eine verfahrensrechtliche Willenserklärung und demgemäß eine Verfahrenshandlung des Beteiligten. Als solche kann die Vollmachtserteilung nicht wegen Irrtums rückwirkend (ex tunc) angefochten, sondern nur für die Zukunft (ex nunc) widerrufen werden.
Zur Wirksamkeit der Vollmachtserteilung ist die Handlungsfähigkeit des Beteiligten erforderlich. Fehlt diese, so müssen die gesetzlichen Vertreter für den Beteiligten handeln, um die Vollmacht wirksam zu erteilen.
1.8.3 Form der Vollmachtserklärung
1.8.3.1 Grundsatz
Rz. 27
Die Vollmacht kann gegenüber der Finanzbehörde, aber auch nur gegenüber dem Bevollmächtigten erteilt werden.
Die Erteilung der Vollmacht bedarf entsprechend § 167 Abs. 2 BGB keiner besonderen Form. Die Vollmacht kann schriftlich, durch Telegramm oder Telefax, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch, aber auch mündlich, telefonisch oder zu Protokoll der Finanzbehörde erteilt werden.
Die Vollmacht kann ausdrücklich, aber auch durch konkludentes Verhalten erteilt werden. Es muss ein Verhalten des Beteiligten vorliegen, aufgrund dessen bei verständiger Würdigung die Einräumung der Vertretungsmacht angenommen werden kann. Lediglich bei der elektronischen Übermittlung von Vollmachtdaten an Landesfinanzbehörden nach § 80a AO ist das "amtliche Muster für Vollmachten im Besteuerungsverfahren" zwingend zu verwenden.
Rz. 28
Eine konkludente Vollmachtserteilung unter Ehegatten kann i. d. R. in der Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung gesehen werden. Die daraus resultierende Vertretungsmacht des Ehegatten erstreckt sich grundsätzlich auf alle im Besteuerungsverfahren erforderlichen Verfahrenshandlungen, also auch auf die Bekanntgabe von Verwaltungsakten einschließlich der Befugnis zur Empfangnahme von Berichtigungsbescheiden.
1.8.3.2 Rechtsscheingrundsätze
Rz. 29
Von der Vollmachtserteilung durch konkludentes Verhalten sind die Fälle zu unterscheiden, in denen eine Vollmacht nicht erteilt wurde, der angeblich Vertretene sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes den durch das Auftreten und Verhalten des angeblichen Vertreters erzeugten Rechtsschein der Bevollmächtigung gleichwohl zurechnen lassen muss. Der Rechtsschein fingiert die wirksame Bevollmächtigtenstellung i. S. v. § 80 AO. Durch eine zusätzliche auf dem Rechtsschein beruhende Vollmacht wird ein zuvor begründetes Vertretungsverhältnis nicht berührt.
Diese Rechtswirkung des Rechtsscheins tritt ein im Fall der:
- Duldungsvollmacht, wenn der Vertretene von dem Auftreten des angeblichen Vertreters Kenntnis hat und dieses Verhalten duldet und nicht verhindert;
- Anscheinsvollmacht, wenn der V...