Rz. 18
§ 87 Abs. 4 AO regelt schließlich die Frage des maßgeblichen Eingangszeitpunkts von Anzeigen, Anträgen oder sonstigen Willenserklärungen, die zum Zweck der Fristwahrung, der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs sowie der Begehr einer Leistung abgegeben worden sind. Dem Grundsatz des § 87 Abs. 1 AO folgend gilt, dass fremdsprachige Eingänge die gewünschten Folgen für sich nicht auslösen. Aus Art. 41 Abs. 4 der EU-Grundrechtscharta ergibt sich nichts anderes, da diese Vorschrift nur für Organe der EU, nicht aber für nationale Behörden oder Gerichte gilt. Sie sind in ihrer Wirkung grundsätzlich von dem Eingang der entsprechenden Übersetzung abhängig, wobei im Falle der rechtzeitigen Beibringung der Übersetzung der Antrag rückwirkend als wirksam gestellt gilt. Dies gilt dann, wenn die Finanzbehörde für die Vorlage der Übersetzung eine angemessene Frist gesetzt hat. Da es sich hierbei nicht um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, kommt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO, wohl aber eine Verlängerung der Frist nach § 109 Abs. 1 AO in Betracht. War die Frist indes unangemessen kurz, tritt kein Rechtsverlust zulasten des Stpfl. ein. Vielmehr hat die Finanzbehörde eine neue, angemessene Frist zu setzen.
Verweigert ein Stpfl. die Verwendung der deutschen Sprache in der irrigen Annahme, er könne auch in fremder Sprache mit den Behörden/Gerichten kommunizieren, obgleich er eindeutig auf diesen Umstand hingewiesen wurde und dies auch verstanden hat, so ist keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Im Gegenteil geht die Verwendung der fremden Sprache zu seinen Lasten, wenn dies im Hinblick auf ein fristwahrendes Schreiben (hier die Klage) nicht möglich ist.
Rz. 19
Stellvertretend für alle benannten Tatbestände gilt für die Wahrung von Rechtsbehelfsfristen Folgendes:
Die Rechtsbehelfsfrist ist gewahrt, wenn
- der Rechtsbehelf vor Fristablauf sowohl in fremder als auch in deutscher Sprache eingeht;
- der Rechtsbehelf vor Fristablauf in fremder Sprache eingeht und die Übersetzung innerhalb der von der Behörde nach § 87 Abs. 4 S. 1 AO gesetzten, angemessenen Frist vorgelegt wird (zeitliche Rückwirkung der Übersetzung auf den Zeitpunkt des fremdsprachigen Eingangs);
- die Übersetzung zwar nicht innerhalb der Frist nach § 87 Abs. 4 S. 1 AO vorgelegt wird, die Behörde bei der Fristsetzung aber nicht auf die Rechtsfolge des § 87 Abs. 4 S. 2 AO hingewiesen hat. In diesem Fall tritt vor Ablauf einer Nachfristsetzung mit Belehrung insgesamt kein Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ein;
- die Übersetzung zwar nicht innerhalb der behördlichen Frist eingeht, diese jedoch nicht angemessen war, was in einem gesonderten, diesbezüglichen Vor- und ggf. Gerichtsverfahren festgestellt wurde;
- vor Fristablauf der fremdsprachige Rechtsbehelf eingeht und sich die Behörde damit ausnahmsweise zufriedengibt.
Die Rechtsbehelfsfrist ist dagegen nicht gewahrt, wenn
- der Rechtsbehelf vor Fristablauf weder in fremder noch in deutscher Sprache eingeht;
- die Übersetzung nicht innerhalb der nach § 87 Abs. 4 S. 2 AO belehrenden Fristsetzung (ggf. Nachfristsetzung) des S. 1 eingeht.
Rz. 20
Nach zwischenstaatlichen Vereinbarungen kann abweichend von den o. g. Grundsätzen auch der fristgerechte, fremdsprachige Eingang für sich fristwahrende Wirkung haben, ohne dass es auf die Vorlage einer Übersetzung ankäme.
Rz. 21
Bei fehlenden Sprachkenntnissen des Beteiligten und einer daraus resultierenden Fristversäumnis kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen.
Rz. 22
Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der fristwahrenden Einspruchseinlegung nach den Grundsätzen des § 87 Abs. 4 AO macht eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig i. S. d. § 356 Abs. 2 AO.