Rz. 171
Nach § 88 Abs. 5 S. 4 AO dürfen Einzelheiten der RMS – insbesondere die eingesetzten Risikofilter – nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Dabei wird die Finanzverwaltung und ggf. auch das Gericht jeweils zu prüfen haben, ob dieser "konditionierte Geheimnisvorbehalt" letztlich zum Veröffentlichungsverbot führt oder ob eine Gefährdung von Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung hinsichtlich bestimmter RMS-Einzelheiten nicht greift, eine Veröffentlichung einzelner Daten also im Einzelfall möglich – und dann auch erforderlich – ist.
Zu der Reichweite des Veröffentlichungsverbots und den Einzelheiten bei Gewährung des Rechtsschutzes gilt das zum Veröffentlichungsverbot bezüglich der Weisungen nach § 88 Abs. 3 und 4 AO Gesagte entsprechend (vgl. Rz. 114ff.).
Rz. 172
Auch hier ist das FA berechtigt und verpflichtet, die Übermittlung von Einzelheiten der RMS auch im Klageverfahren vor den FG nach Maßgabe des § 86 Abs. 2 S. 2 FGO zu verweigern. Dies wird teilweise unter Hinweis auf die Gefahr eines gerichtlichen Kontrolldefizits kritisch gesehen. M.E. ist dieses Offenbarungshindernis aber konsequent, denn im Einzelfall kann es grds. nur darum gehen, dass das FA die Steuererklärung aufgrund eines Hinweises des RMS überprüft hat und ob die sich daraus ggf. ergebenden Beanstandungen des FA zutreffend sind, ohne dass die Frage der Aussteuerungskriterien für sich gesehen fallrelevant wäre.
Erweist sich der festgesetzte Steuerbetrag bzw. die im Feststellungsbescheid ausgewiesene Größe als materiell rechtmäßig, wäre die Klage – unabhängig von beanstandeten Aussteuerungskriterien – abzuweisen; ein "Recht auf Nichtkontrolle" kann der Stpfl. nicht beanspruchen. Die Informationsverweigerung über die Einzelheiten der RMS ist zur Vermeidung von Restrisiken durch den BFH mit den Sicherungen des § 86 Abs. 3 FGO überprüfbar, ohne dass eine Offenlegung der Grundlagen der RMS gegenüber dem Stpfl. oder der Öffentlichkeit erfolgt.
Rz. 172a
Nicht dem gesetzlichen Veröffentlichungsverbot unterliegen solche Daten, die nicht als Einzelheiten des RMS zu definieren sind. Dazu zählen insbesondere grundsätzliche Informationen darüber, ob das RMS auch das subjektive Vorverhalten des Stpfl. oder des steuerlichen Beraters in die Kriterien der Fallbearbeitung einbezieht. Insoweit handelt es sich nicht um RMS-Einzelheiten.
Rz. 173
Auch die Finanzverwaltung hat naturgemäß ein großes Interesse an der Akzeptanz der Steuerbürger für die fortschreitende Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens. Fehlende Kommunikation – obwohl sie möglich wäre – wirkt sich naturgemäß negativ auf das Tax Compliance aus. Die Akzeptanz der Besteuerung und der erforderlichen, die Besteuerung sicherstellenden Maßnahmen ist im Grundsatz nur durch größtmögliche Transparenz erreichbar. Soweit durch die Offenlegung von Prüffaktoren oder -grenzen aber die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährdet würde, steht dieser verfassungsrechtliche Auftrag der Finanzverwaltung der Möglichkeit zur Transparenz entgegen. Die Finanzverwaltung vergibt deshalb durch die der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geschuldete fehlende Transparenz im Bereich vertiefter Erkenntnisse über konkretisierte Prüfkriterien sehr bewusst die Chance, das Erklärungsverhalten und die Bereitschaft, steuerliche Pflichten zu erfüllen, in den zur Aussteuerung vorgesehenen Bereichen positiv zu beeinflussen.
Rz. 174 einstweilen frei
Rz. 175
Auch das Veröffentlichungsverbot der Einstellungskriterien der RMS schützt aber nicht vor einem zumindest partiellen Bekanntwerden der vorgegebenen Aussteuerungssachverhalte und -grenzen. Dies gilt insbesondere bei nachhaltiger Auswertung großer Datenmengen mittels KI, die zumindest großen Steuerberatungskanzleien möglich ist oder werden wird. Daraus begründet sich zudem die Gefahr eines gleichheitswidrigen "Herrschaftswissens" einzelner Stpfl. und Berater, das zu entsprechenden Steuervermeidungsstrategien führt.