Rz. 50
Für die Frage der tatsächlichen Nutzung der Daten kann nicht auf eine vollständige Beschreibung der Ausgestaltung, sondern nur auf eine maßgebliche, klar definierbare und auch durch weitere Rechtsgrundsätze auslegbare Normvorgabe abzustellen sein.
2.6.1 Abrufberechtigung
Rz. 51
Die Berechtigung, Daten untereinander abzurufen, ist logische Grundlage der Norm (s. zu Rz. 5, Rz. 34 und Rz. 36f.). Die dafür notwendige technische Infrastruktur muss unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Anforderungen länderübergreifend geschaffen werden Stellt ein Land oder der Bund bestimmte Daten oder Datenbanken nicht für Zwecke des § 88b AO und damit für den Zugriff für dessen Zwecke bereit, so ist ein Zugriff auf diese Daten – unabhängig von eventuell bestehenden technischen Möglichkeiten und der Bedeutung dieser Daten für die Zweckerfüllung – unzulässig. Vor einem unberechtigten Datenabruf schützt § 30 Abs. 2 Nr. 3 AO.
Rz. 52
Die Bestimmungen zum Abruf der Daten ergeben sich aus § 30 Abs. 6 AO und der dazu ergangenen Steuerdaten-Abrufverordnung, worauf auch die Gesetzesbegründung verweist. Der automatisierte Datenabruf ist zunächst nach § 30 Abs. 6 AO unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO – auch länderübergreifend – zulässig. Den einzelfallbezogenen Abruf von Daten für Zwecke eines Verfahrens nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b AO eröffnet also bereits § 30 Abs. 6 AO. Dem entspricht auch die bisherige Abrufpraxis im Einzelfall.
Rz. 53
Die FÄ dürfen zwar unabhängig von § 88b AO Klardaten anderer Länder oder des Bundes abfragen. Neu geschaffen hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 88b AO aber die Möglichkeit, Abfragen und Ermittlungen von Teilmengen des gesamten Datenbestands durchzuführen, auch ohne auf einzelne Datenbanken beschränkt zu sein. Zudem unterscheiden sich die Verwertungsberechtigungen, für die die Daten bestimmt sind.
2.6.2 Automatisierter Datenabgleich
Rz. 54
Auf bloße Einzelfälle beschränkte Informationsbeschaffung ist umständlich, zeitaufwendig und angesichts der bestehenden technischen Möglichkeiten nicht mehr zeitgemäß. Eine wirksame, zeitnahe Bekämpfung länderübergreifender oder gerade international strukturierter Steuerverkürzungen erfordert eine technische Infrastruktur, die dem Bund und den Ländern den kurzfristigen und unkomplizierten automationsgesteuerten Zugriff auf alle relevanten Daten eines Falles eröffnet.
Rz. 55
Eine Sammlung oder Zusammenführung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmten Zwecken ist mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Es muss aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein begründeter Anlass für die Heranziehung gerade der genutzten Daten gegeben sein. Ein konkreter Verdacht, dass Steuern verkürzt werden, ist jedoch nicht erforderlich. Ausreichend ist jedenfalls, wenn ein hinreichender Anlass für den Datenabgleich besteht (vgl. Rz. 21). Dies ist etwa gegeben, wenn Erfahrungen mit vergleichbaren Sachverhaltskomponenten eine Steuerverkürzung naheliegend erscheinen lassen.
Rz. 56
Je gewichtiger die drohende Rechtsgutsbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine erfolgte Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann und desto weniger fundiert dürfen ggf. die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen. Selbst bei höchstem Gewicht der Rechtsgutsbeeinträchtigung kann allerdings nicht auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit verzichtet werden. Dafür ist es ausreichend, dass die zuständige Stelle im Rahmen einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Datenheranziehung zu steuererheblichen Tatsachen i. S. d. § 88b AO zu führen vermag. Auch der automatisierte Datenabgleich muss diese Handlungsprämissen in der Praxis abbilden.
Rz. 57
Dazu ist auch eine hinreichende Dokumentation der grundlegenden Ermittlungsziele des erfolgten Datenabgleichs und der tatsächlichen Ausführung erforderlich. Nur so kann auch den rechtsstaatlich erforderlichen Überprüfungsmöglichkeiten genügt werden.
2.6.3 Überprüfung
Rz. 58
Die Überprüfung der Daten auf die o. b. Muster bildet zunächst einen eine Vielzahl von Fällen betreffenden Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO ab, der durch die Analyse...