3.1 Einholung von Auskünften (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO)
3.1.1 Beteiligte
Rz. 17
Für die Einholung von Auskünften beim Beteiligten oder bei unbeteiligten Dritten sind in den §§ 93 bis 95 AO sowie den §§ 101 bis 106 AO nähere Bestimmungen zum Verfahren und zu den Zumutbarkeitsgrenzen der Auskunftserteilung enthalten. Beteiligte sind zum einen Subjekte des Besteuerungsverfahrens und stehen nach der Grundkonzeption der §§ 85, 88 und 90 AO mit der Verwaltung in einer Verantwortungsgemeinschaft für die Sachaufklärung. Zum anderen sind sie aber in § 92 S. 2 Nr. 1 AO genanntes Beweismittel und damit Gegenstand behördlicher Ermittlungstätigkeit.
Aufgrund seiner logischen Beweisnähe zu den Besteuerungsgrundlagen ist der Beteiligte die bedeutendste Erkenntnisquelle. Die Behörde, die sich nach pflichtgemäßem Ermessen der Beweismittel bedient, muss die besondere Beweisfunktion des Beteiligten im Rahmen ihres Auswahlermessens, soll dieses nicht ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig ausgeübt werden, daher zutreffend würdigen (vgl. Rz. 16ff.). Das Besteuerungsverfahren geht grundsätzlich von der Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit des mitwirkenden Beteiligten aus. Deshalb kann die Finanzbehörde nicht ohne einen sachlichen Grund über den Beteiligten hinweg auf andere Beweismittel zurückgreifen. Erst wenn das Vertrauen aufgrund konkreter Umstände erschüttert oder die Mitwirkung des Beteiligten aus anderen Gründen unergiebig ist, sind weitere Beweismittel heranzuziehen.
Rz. 18
Gegenstand einer vom Beteiligten einzuholenden Auskunft sind für die Besteuerung relevante, äußere und innere, unmittelbare und mittelbare Tatsachen, über die der Beteiligte aus eigener Wahrnehmung informiert ist, nicht hingegen Rechtsfragen, Vermutungen und Werturteile.
3.1.2 Andere Personen
Rz. 19
Aufgrund der besonderen Verantwortung des Beteiligten für die Aufklärung des Sachverhalts und wegen seiner Sachnähe legt § 93 Abs. 1 Satz 3 AO fest, dass Dritte erst nachrangig und unter Beachtung der §§ 101 bis 106 AO zur Auskunftserteilung herangezogen werden dürfen. "Andere Personen" sind alle Auskunftspersonen, die keine Beteiligten i. S. d. § 78 AO sind und in einem fremden steuerlichen Verwaltungsverfahren Auskunft erteilen müssen. Auskunftspersonen werden in anderen Verfahrens- und Prozessordnungen als "Zeugen" bezeichnet. Der unterschiedliche Sprachgebrauch ist wohl darauf zurückzuführen, dass die AO kein förmliches Beweisverfahren (vgl. Rz. 3) und damit auch – anders als das Prozessrecht – keine formelle Zeugenaussage kennt.
Rz. 20
Ob eine Auskunftsperson oder aber ein Beteiligter im Rahmen der §§ 92ff. AO in Anspruch genommen wird, richtet sich also nach § 78 AO. Insbesondere in Haftungsverfahren ist derjenige Beteiligter und nicht Auskunftsperson, an den die Behörde einen Haftungsbescheid richten will. Auch können Auskunftspersonen in einem eigenständigen Verfahren über ihre Auskunftsverpflichtung zu Beteiligten in eigener Sache werden.
Rz. 21
Gegenstand der Auskunftserteilung sind vornehmlich ermittlungsbedürftige Tatsachen und Zustände der Vergangenheit, über die die Auskunftsperson aus eigener Wahrnehmung aussagen kann. Die Auskunftsperson bekundet also ebenfalls eigenes Wissen, sodass sie nicht durch eine beliebige andere Person ersetzt werden kann. Auch bei Auskunftspersonen sollten die Wahrnehmungen idealiter wertungsfrei reproduziert werden. Schlussfolgerungen sind nicht Gegenstand einer Auskunftserteilung i. d. S. Die "Zeugen" der vergangenen Begebenheiten bedürfen aber grundsätzlich weder besonderer Sachkunde (zur sog. sachverständigen Auskunftsperson vgl. Rz. 11) noch müssen sie handlungsfähig sein. Die Bewertung der Auskunft (z. B. eines Minderjährigen) ist Sache der Beweiswürdigung durch die Behörde. Dies folgt aus dem schlichten Reproduktionscharakter der Auskunft.
Rz. 21a
Zugunsten von Auskunftspersonen wirken besondere Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte.
3.2 Zuziehung von Sachverständigen (§ 92 Satz 2 Nr 2 AO)
Rz. 22
Die Finanzbehörde ist in der Bewertung von ihr ermittelter Sachverhalte grundsätzlich frei. Ist ihre Sachkunde jedoch nicht hinreichend, den Informationsgehalt der vorläufigen Ermittlungsergebnisse zutreffend zu erfassen, kann sie einen Sachverständigen als Hilfsperson zuziehen. ...