3.1 Zuständigkeit
Rz. 17
Das Vernehmungsersuchen ist nach § 94 Abs. 1 S. 1 AO an das für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort der zu beeidigenden Auskunftsperson zuständige Finanzgericht zu richten. Befindet sich an dessen Wohnsitz oder Aufenthaltsort nicht der Sitz eines FG oder eines besonders errichteten Senats eines FG, kann nach § 94 Abs. 1 S. 2 AO auch das örtlich zuständige Amtsgericht um eine eidliche Vernehmung ersucht werden.
Rz. 18
Es steht in diesen Fällen im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, ob sie von der Möglichkeit eines Ersuchens an das Amtsgericht Gebrauch macht. Hierbei sind die Grundsätze der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu beachten. Die primäre Zuständigkeit liegt aufgrund der besonderen Sachkunde in Steuersachen bei den FG. Die grundsätzliche Vorrangigkeit der Finanzgerichte geht ferner aus der Formulierung des § 94 Abs. 1 S. 2 AO hervor. Danach kann "auch" das zuständige Amtsgericht ersucht werden. Andererseits ist im Rahmen der Ermessensentscheidung einzubeziehen, dass eine große Entfernung zum Sitz des FG für die zu beeidigende Person mit spürbaren Nachteilen (z. B. Reisekosten, Verdienstausfall, Zeitaufwand) verbunden sein kann. In solchen Fällen ist es ermessensgerecht, das näher gelegene Amtsgericht um die eidliche Vernehmung zu ersuchen. Das ersuchte Gericht ist an die Auswahl durch die Finanzbehörde gebunden. Eine Verweisung durch das örtlich zuständige FG an das Amtsgericht (und umgekehrt) ist nicht zulässig.
Rz. 19
Die Vernehmung und Beeidigung findet vor dem dafür im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Richter als Einzelrichter statt. Nur über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Auskunft oder der Eidesleistung entscheidet das FG durch Senatsbeschluss. Wird das Amtsgericht um eine eidliche Vernehmung ersucht, werden Vernehmung und Eidesabnahme entsprechend §§ 156ff. GVG durch den im Geschäftsverteilungsplan für Rechtshilfeangelegenheiten bestimmten Richter durchgeführt.
3.2 Vernehmungsersuchen
Rz. 20
Das zuständige Gericht wird nur auf ein Ersuchen der Finanzbehörde hin tätig. Ohne dieses Vernehmungsersuchen darf die Auskunftsperson selbst dann nicht eidlich vernommen werden, wenn sie freiwillig zur Eidesleistung bereit ist oder ihre Beeidigung beantragt. Für das Ersuchen gilt – obwohl sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt – Schriftform. Hierfür sprechen nicht nur die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, sondern auch die Formulierung des § 94 Abs. 2 S. 1 AO.
Rz. 21
Der notwendige Inhalt des Ersuchens geht aus § 94 Abs. 2 S. 1 AO nur unvollständig hervor. Danach hat die Finanzbehörde (nur) den Gegenstand der Vernehmung sowie die Namen und Adressen der Beteiligten anzugeben. Es liegt auf der Hand, dass das Vernehmungsersuchen überdies den Namen und die ladungsfähige Anschrift der zu vernehmenden Auskunftsperson enthalten muss.
Besondere Bedeutung kommt der genauen Bezeichnung des Vernehmungsgegenstands, d. h. den Tatsachen, über die die Vernehmung erfolgen soll, zu. Hierdurch wird es dem Gericht ermöglicht, die eidliche Vernehmung sachgerecht durchzuführen. Eine Aktenübersendung sieht das Gesetz zwar nicht vor. Sie ist aber dennoch zulässig, wenn und insoweit dies zur Wahrheitsfindung erforderlich ist (z. B. um der Auskunftsperson frühere Aussagen vorzuhalten) und das Steuergeheimnis gewahrt bleibt. Eine ggf. vorzulegende Akte ist daher auf den Vernehmungsgegenstand zu reduzieren, soweit der Inhalt zur Erfüllung der Aufgabe und Abnahme des Eides erforderlich ist.
Rz. 22
Das Vernehmungsersuchen der Finanzbehörde beinhaltet verfahrensrechtlich zweierlei: Zum einen ist es ein Antrag auf gerichtliche Amtshilfe zur eidlichen Vernehmung nach §§ 111 Abs. 1, 112 Abs. 1 Nr. 1 AO. Zum anderen stellt es gegenüber der Auskunftsperson einen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO dar. Die Bekanntgabe dieses Verwaltungsakts erfolgt mittelbar im Rahmen der Vorladung durch das ersuchte Gericht, sobald das Ersuchen die Auskunftsperson erreicht. Insoweit wird die allgemeine Verfahrensvorschrift des § 122 AO modifiziert.
Rz. 23
Weder der Beteiligte noch die Auskunftsperson müssen vor dem Ergehen des Vernehmungsersuchens gehört werden. Das Anhörungsrecht des Beteiligten wird vielmehr dadurch gewährt, dass er Gelegenheit erhält, am Vernehmungstermin teilzunehmen und dort Fragen zu stellen.
Rz. 24
Gegenüber dem Ersuchen der Finanzbehörde steht dem Gericht nur ein beschränktes Prüfungsrecht zu. Es prüft lediglich die Ordnungsmäßigkeit des Vernehmungsersuchens, d. h. dessen formelle und inhaltliche Vo...