3.1 Vorlageersuchen (Abs. 1 S. 1 AO)
Rz. 13
Die Aufforderung zur Vorlage von Urkunden ist ein Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO. Das formfreie Vorlageersuchen muss nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d. h. es muss bezeichnen, wer welche Urkunde an welchem Ort vorlegen soll. Darüber hinaus ist nach § 97 Abs. 1 S. 2 AO die Angabe erforderlich, ob die Urkunden für die Besteuerung des zur Vorlage Aufgeforderten oder aber für die Besteuerung anderer Personen benötigt werden. § 97 Abs. 1 S. 2 AO entspricht der Regelung des § 93 Abs. 2 S. 1 AO. Die Information darüber, ob in eigener oder fremder Steuersache vorgelegt werden soll, kann für den Betroffenen zur Wahrnehmung seiner Rechte bedeutsam sein. Das schriftliche Vorlageersuchen ist regelmäßig mit einer Begründung zu versehen. Sofern die Finanzbehörde einen Dritten um die Vorlage von Urkunden ersucht, soll dem Beteiligten nach § 91 Abs. 1 S. 1 AO Gelegenheit gegeben werden, sich zu den daraus gewonnenen Erkenntnissen zu äußern.
Rz. 14
Für die Inanspruchnahme anderer Personen gilt § 93 Abs. 1 S. 3 AO aufgrund der durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 in § 97 Abs. 1 S. 3 AO aufgenommenen Verweisung nunmehr ausdrücklich entsprechend. Dritte sollen erst dann zur Vorlage von Urkunden angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Zwischen Beteiligten und Dritten besteht demnach auch im Rahmen des § 97 AO ein Vor- und Nachrangigkeitsverhältnis.. Im Vorlageersuchen muss deshalb zusätzlich dargelegt werden, warum der Sachverhalt nicht durch den Beteiligten aufgeklärt werden kann.
Rz. 15
§ 97 AO betrifft nur "reine" Vorlageersuchen. Ein solches liegt nur dann vor, wenn die Finanzbehörde die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlagepflichtigen auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt. Überlässt es die Finanzbehörde dem Betroffenen, zunächst zu ermitteln, ob und ggf. welche der angeforderten Unterlagen existieren, und gibt es dem Ersuchten auf, die erbetenen Unterlagen nach abstrakten Vorgaben zusammenzustellen, so liegt materiell ein kombiniertes Auskunfts- und Vorlageersuchen vor. In diesen Fällen verlangt die Finanzbehörde nicht mehr nur eine mechanische Hilfstätigkeit, sondern – was typisch für eine Auskunftserteilung ist – eine eigene intellektuelle Leistung. Da zwischenzeitlich auch für den vorlagepflichtigen Dritten ein Entschädigungsanspruch unabhängig davon, ob er neben der Urkundenvorlage auch eine Auskunft erteilt, in § 107 AO zuerkannt erhalten haben, ist die Unterscheidung nach dem Grad der Konkretheit der Vorlageaufforderung ohne praktische Folgen.
3.2 Ermessensentscheidung
Rz. 16
Die Entscheidung der Finanzbehörde, Unterlagen zur Einsicht und Prüfung anzufordern, ist eine Ermessensentscheidung. Das der Behörde eingeräumte Ermessen umfasst neben der Entschließung zur Beweiserhebung durch Urkundenvorlage auch die Auswahl des Vorlagepflichtigen, die Auswahl der vorzulegenden Unterlagen und den Ort der Vorlage.
Rz. 17
Für die Beweismittelauswahl und damit für die Entschließung zur Erhebung des Beweises durch Urkundenvorlage gelten die allgemeinen Grundsätze. Danach kann die Finanzbehörde die Vorlage von Urkunden verlangen, wenn sie diese nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, diese zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig sind, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und dessen Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
Rz. 18
Im Rahmen ihres Entschließungsermessens kann die Finanzbehörde frei entscheiden, ob sie eine Außenprüfung durchführt oder aber ein Vorlageverlangen nach § 97 AO stellt. Zwischen dem Außenprüfungsverfahren und dem Vorlageverlangen besteht grundsätzlich weder ein Vor- oder Nachrangigkeits- noch ein Exklusivit...