3.1 Zeitpunkt des Betretens (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 13
Das Betretungsrecht besteht nach § 99 Abs. 1 S. 1 AO nur innerhalb der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeit. Grundsätzlich scheidet damit die Einnahme des Augenscheins an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit aus. Ausnahmen sind in Absprache mit dem Duldungsverpflichteten zulässig. Die individuellen Geschäfts- und Arbeitszeiten des Betroffenen sind zu respektieren, solange die finanzbehördliche Ermittlungstätigkeit hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird.
Rz. 14
Häusliche Arbeitszimmer werden regelmäßig nicht in den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten genutzt, sondern wegen der außerhäuslichen Tätigkeiten vielmehr in den Abendstunden und am Wochenende. Deshalb sollte es der Finanzbehörde gestattet sein, den Zutritt zum Arbeitszimmer wenigstens in den frühen Abendstunden verlangen zu können.
3.2 Benachrichtigung des Betroffenen (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 15
Die Finanzbehörde soll die betroffenen Personen nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO angemessene Zeit vor der beabsichtigten Maßnahme benachrichtigen. Für einen schlichten Besichtigungstermin scheint eine Vorankündigung von zwei Wochen angemessen. Hiervon ist nur im Ausnahmefall, nämlich bei sonst drohender Gefährdung oder Vereitelung des Beweiszwecks, abzusehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Betroffene den Gegenstand des Augenscheins verändern, wegschaffen, verstecken oder vernichten wird. Allerdings ist hier mit Blick auf den verfassungsrechtlich verbürgten Schutz der Wohnung in besonderem Maße die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in den Blick zu nehmen. Wurde dem Betroffenen nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt, bzw. hätte es andere, weniger belastende Maßnahmen gegeben, scheidet die Ermittlungsmaßnahme als unverhältnismäßige Belastung aus. An die Zulässigkeit einer Besichtigung durch einen Flankenschutzprüfer der Steuerfahndung anstelle eines Mitarbeiters der Veranlagung sind besonders hohe Maßstäbe anzulegen.
Rz. 16
Zur Frage, ob es erforderlich ist, auch vor der Besichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers den Stpfl. zu benachrichtigen, sind in der Lit. im Anschluss an FG Niedersachsen v. 9.3.1993, VII 314/90, EFG 1994, 182 Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Auf der einen Seite wird die – Unterstützung verdienende – Ansicht vertreten, dass in diesen Fällen eine vorherige Benachrichtigung wegen drohender Vereitelung des Kontrollzwecks regelmäßig unterbleiben könne. Dem steht der Standpunkt gegenüber, dass auch bei Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die Richtigkeitsvermutung der Steuererklärung gelten müsse und deshalb eine vorherige Information generell erforderlich sei.
Rz. 17
Durch die Benachrichtigung soll dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden, an der Augenscheinseinnahme teilzunehmen. Die Teilnahme des Betroffenen sowie ggf. des Beteiligten wird im Regelfall auch zweckmäßig sein. Beide Personen haben aber kein Recht auf Anwesenheit. Der Gesetzgeber befürchtete offenbar eine unangemessene Verzögerung des Besteuerungsverfahrens. Die Finanzbehörde sollte jedoch sowohl die Anwesenheit des Inhabers der Sachherrschaft als auch des Eigentümers zulassen, soweit dadurch der Zweck der Augenscheinseinnahme nicht beeinträchtigt wird. Gewisse Verzögerungen sind hinzunehmen. Um den Eindruck der Augenscheinseinnahme zu Beweiszwecken mit dem Stpfl. teilen zu können, bzw. Unklarheiten bzgl. Ausstattung und Zustand gleich vor Ort klären und nicht auf ein späteres schriftliches Verfahren verlegt zu sein, erscheint die Teilnahme des Stpfl. sogar wünschenswert. Soll die Augenscheinseinnahme durch einen Sachverständigen durchgeführt werden und stimmt der Betroffene eine Teilnahme der zuständigen Finanzbeamten nicht zu, ist der Sachverständige gehalten, die Augenscheinseinnahme abzubrechen, will er sich nicht dem Vorwurf der Befangenheit aussetzen. Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit ist beiden am Besteuerungsverfahren beteiligten Parteien der Zutritt zu gestatten. Besteht der vom Betroffenen ausgeschlossene Teilnehmer auf seiner Teilnahme, so ist für den Fall, dass das Besichtigungsobjekt dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG unterfällt, dem Grundrechtsschutz der Vorzug zu geben mit der Folge, dass die Beweisaufnahme in dieser Form unterbleiben muss. Führt der Sachverständige die Augenscheinseinnahme trotz Ausschlusses des Finanzbeamten dennoch durch, bleiben die Erkenntnisse gleichwohl verwertbar. Der Vorwurf der Befangenheit führt nach § 125 Abs. 3 Nr. 2 AO nicht zur Nichtigkeit des diese Erkenntnisse aufnehmenden Verwaltungsakts. Die Rüge im Rahm...