Rz. 15
Die Finanzbehörde soll die betroffenen Personen nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO angemessene Zeit vor der beabsichtigten Maßnahme benachrichtigen. Für einen schlichten Besichtigungstermin scheint eine Vorankündigung von zwei Wochen angemessen. Hiervon ist nur im Ausnahmefall, nämlich bei sonst drohender Gefährdung oder Vereitelung des Beweiszwecks, abzusehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Betroffene den Gegenstand des Augenscheins verändern, wegschaffen, verstecken oder vernichten wird. Allerdings ist hier mit Blick auf den verfassungsrechtlich verbürgten Schutz der Wohnung in besonderem Maße die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in den Blick zu nehmen. Wurde dem Betroffenen nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt, bzw. hätte es andere, weniger belastende Maßnahmen gegeben, scheidet die Ermittlungsmaßnahme als unverhältnismäßige Belastung aus. An die Zulässigkeit einer Besichtigung durch einen Flankenschutzprüfer der Steuerfahndung anstelle eines Mitarbeiters der Veranlagung sind besonders hohe Maßstäbe anzulegen.
Rz. 16
Zur Frage, ob es erforderlich ist, auch vor der Besichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers den Stpfl. zu benachrichtigen, sind in der Lit. im Anschluss an FG Niedersachsen v. 9.3.1993, VII 314/90, EFG 1994, 182 Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Auf der einen Seite wird die – Unterstützung verdienende – Ansicht vertreten, dass in diesen Fällen eine vorherige Benachrichtigung wegen drohender Vereitelung des Kontrollzwecks regelmäßig unterbleiben könne. Dem steht der Standpunkt gegenüber, dass auch bei Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die Richtigkeitsvermutung der Steuererklärung gelten müsse und deshalb eine vorherige Information generell erforderlich sei.
Rz. 17
Durch die Benachrichtigung soll dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden, an der Augenscheinseinnahme teilzunehmen. Die Teilnahme des Betroffenen sowie ggf. des Beteiligten wird im Regelfall auch zweckmäßig sein. Beide Personen haben aber kein Recht auf Anwesenheit. Der Gesetzgeber befürchtete offenbar eine unangemessene Verzögerung des Besteuerungsverfahrens. Die Finanzbehörde sollte jedoch sowohl die Anwesenheit des Inhabers der Sachherrschaft als auch des Eigentümers zulassen, soweit dadurch der Zweck der Augenscheinseinnahme nicht beeinträchtigt wird. Gewisse Verzögerungen sind hinzunehmen. Um den Eindruck der Augenscheinseinnahme zu Beweiszwecken mit dem Stpfl. teilen zu können, bzw. Unklarheiten bzgl. Ausstattung und Zustand gleich vor Ort klären und nicht auf ein späteres schriftliches Verfahren verlegt zu sein, erscheint die Teilnahme des Stpfl. sogar wünschenswert. Soll die Augenscheinseinnahme durch einen Sachverständigen durchgeführt werden und stimmt der Betroffene eine Teilnahme der zuständigen Finanzbeamten nicht zu, ist der Sachverständige gehalten, die Augenscheinseinnahme abzubrechen, will er sich nicht dem Vorwurf der Befangenheit aussetzen. Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit ist beiden am Besteuerungsverfahren beteiligten Parteien der Zutritt zu gestatten. Besteht der vom Betroffenen ausgeschlossene Teilnehmer auf seiner Teilnahme, so ist für den Fall, dass das Besichtigungsobjekt dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG unterfällt, dem Grundrechtsschutz der Vorzug zu geben mit der Folge, dass die Beweisaufnahme in dieser Form unterbleiben muss. Führt der Sachverständige die Augenscheinseinnahme trotz Ausschlusses des Finanzbeamten dennoch durch, bleiben die Erkenntnisse gleichwohl verwertbar. Der Vorwurf der Befangenheit führt nach § 125 Abs. 3 Nr. 2 AO nicht zur Nichtigkeit des diese Erkenntnisse aufnehmenden Verwaltungsakts. Die Rüge im Rahmen des gegen diesen Verwaltungsakt gerichteten Rechtsmittels bleibt vorbehalten. Die Finanzbehörde muss einem nicht anwesenden Beteiligten zu den Ergebnissen der Augenscheinseinnahme aber jedenfalls rechtliches Gehör gewähren. Im Einspruchsverfahren ist außerdem § 365 Abs. 2 AO zu beachten.
Rz. 18
Soll der Beteiligte, der nicht Inhaber der Sachherrschaft ist, an der Augenscheinseinnahme teilnehmen (z. B. der Vermieter nimmt an der Augenscheinseinnahme des Mietobjekts teil), so ist auch er zu benachrichtigen. Das Betreten des Objekts durch den Beteiligten hängt in diesem Fall aber vom Einverständnis des unmittelbaren Besitzers ab. Dieses kann nicht durch die Finanzbehörde erzwungen werden.
Rz. 19
Die Benachrichtigung der betroffenen Personen soll angemessene Zeit vor Durchführung der Maßnahme erfolgen. Die Angemessenheit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Normalerweise wird es genügen, wenn die Finanzbehörde den Betroffenen zwei bis vier Wochen vor dem Besichtigungstermin über die vorgesehene Maßnahme informiert.