2.1 Allgemeines
Rz. 3
Zwei oder mehr Mitgliedstaaten können eine gleichzeitige Prüfung einer oder mehrerer Personen im jeweils eigenen Hoheitsgebiet vereinbaren. Ein Ziel dieser gleichzeitigen Prüfung ist der Informationsaustausch. Die gleichzeitig zu prüfende Person oder Personen müssen für die gleichzeitig prüfenden Mitgliedstaaten von einem gemeinsamen oder ergänzenden Interesse sein. Die Schwelle für die erforderliche voraussichtliche Erheblichkeit ist derjenigen einer rein inländischen Konzernprüfung nach nationalem Recht vergleichbar.
Ausreichend ist, dass zum Zeitpunkt des Ersuchens und der Informationsweitergabe aus Sicht des ersuchenden Mitgliedstaats eine vernünftige Möglichkeit besteht, dass die begehrte Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird. Darauf, ob die Information nach ihrer Übermittlung tatsächlich relevant ist, kommt es nicht an und eine mangelnde Relevanz macht das ursprüngliche Ersuchen nicht unzulässig. Eine Zustimmung des betroffenen Stpfl. zu einer Simultanprüfung ist nicht erforderlich.
Rz. 4
§ 12 Abs. 1 EUAHiG behandelt die gleichzeitige Prüfung auf Vorschlag einer deutschen Finanzbehörde. Die Finanzbehörden, insbesondere die FÄ als örtliche Finanzbehörden machen den Vorschlag gegenüber dem zentralen Verbindungsbüro. Sie haben nähere Kenntnisse über Einzelfälle, für die eine gleichzeitige Prüfung angebracht ist und deswegen angeregt werden sollte. Da der Amtshilfeverkehr stets über die zentralen Verbindungsbüros der Mitgliedstaaten läuft, geht der Vorschlag der deutschen Finanzbehörde an das deutsche zentrale Verbindungsbüro. Dieses prüft, ob es nach § 4 EUAHiG zulässig ist, die durch die Prüfung erlangten Erkenntnisse und Informationen sowie auch die für die Vereinbarung der Prüfung im Vorfeld erforderlichen Kenntnisse auszutauschen.
2.2 Gemeinsame Prüfungen (Joint Audits)
Rz. 4a
Mit der Einführung von § 12 EUAHiG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Durchführung von simultanen Prüfungen geschaffen. Damit werden in zwei oder mehr Mitgliedstaaten zeitgleich Betriebsprüfungen betreffend denselben Stpfl. oder bei nahestehenden Personen durchgeführt.
§ 12 EUAHiG schafft nur die Möglichkeit zeitgleicher Prüfungen, die Anwesenheit ausländischer Bediensteter oder die Durchführung einer gemeinsamen Prüfung, sog. Joint Audits, wird allein dadurch nicht geregelt. Erst zusammen mit §§ 10 und 11 EUAHiG für die Anwesenheit ausländischer Bediensteter im Inland, bzw. inländischer Bediensteter im Ausland, und §§ 4 bis 6 EUAHiG für den Informationsaustausch, kann ein umfangreicher gegenseitiger Informationsaustausch vereinbart werden. Dieser sollen in erster Linie eine einvernehmliche Sachverhaltsermittlung ermöglichen und so eine Doppelbesteuerung vermeiden. Der durch diese Art der Prüfung ermittelte Sachverhalt versetzt die beteiligten Mitgliedstaaten in die Lage, die steuerlichen Folgen nach dem jeweiligen nationalen Recht zu ziehen. Gegenstand eines solchen Vorgehens ist regelmäßig die Prüfung grenzüberschreitender Sachverhalte, wie Verrechnungspreisfragen, Abgrenzungsfragen bei Betriebsstätten, grenzüberschreitende Steuergestaltungs- und vermeidungsmodelle oder Unternehmensumstrukturierungen.
Bei Anwesenheit ausländischer Bediensteter im Rahmen des Informationsaustauschs gem. § 10 EUAHiG dürfen diesen nur solche Erkenntnisse zugänglich gemacht werden, die nach § 4 EUAHiG auch im Rahmen eines Ersuchens auf Auskunfterteilung übermittelt werden dürften. Zu diesem Zweck dürfen ausländische Bedienstete im Beisein inländischer Amtsträger an Dritte Fragen stellen und Aufzeichnungen prüfen, sofern das BZSt dieser Art des Informationsaustauschs vorher zustimmt hat. Die Praxis zeigt, dass die Abgrenzung zwischen erlaubter Offenbarung und unzulässigem Bruch des Steuergeheimnisses oftmals nicht trennscharf vorzunehmen ist, sondern sich in einem Graubereich bewegt.
Noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist die Amtshilferichtlinie insoweit, als dass Joint Audits, also gemeinsame statt gleichzeitige Prüfungen, bislang nicht in das EUAHiG aufgenommen worden sind. Art. 12a der Amtshilferichtlinie sieht die gemeinsame Prüfung von zwei oder mehr Mitgliedstaaten vor. Die Richtlinie benennt dafür praktisch keine Voraussetzungen. Gegenstand muss jedoch ein grenzüberschreitender Sachverhalt sein, damit die nach § 193 AO zu treffende Ermessensentscheidung über den Erlass einer Prüfungsanordnung rechtmäßig ist. Die gemeinsame Prüfung geht über den bislang geregelten Informationsaustausch hinaus. So wird mit der Umsetzung eine Rechtsgrundlage für gegenseitiges hoheitliches Handeln geschaffen. Die Rechtsstellung eines Prüfers anderer Mitgliedstaaten geht damit über ein weitgehend passives Verhalten hinaus und lässt die Vornahme bestimmter Ermittlungshandlungen zu. Damit wandelt sich das Recht in ein aktives Prüfungsrecht. Bei einer gemeinsamen Prüfung erstellen ausländische Bedienstete...