Rz. 9
Das zentrale Verbindungsbüro kann, muss aber nicht die Übermittlung von Informationen auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates ablehnen, wenn der andere Mitgliedstaat aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, entsprechende Informationen zu geben. Diese Kannvorschrift entspricht dem OECD-Standard, der auch in Art. 26 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens abgebildet ist. Die Vorschrift enthält in ihrer Nr. 1 eine Gegenseitigkeitsklausel. Auch wenn nach dem entsprechenden deutschen Recht eine Auskunft zulässig wäre, muss wegen der Unzulässigkeit einer Auskunftserteilung in einem entsprechenden umgekehrten Fall vom zentralen Verbindungsbüro geprüft werden, ob die gewünschte Information gegeben oder von der Möglichkeit der Ablehnung Gebrauch gemacht werden soll. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. Eine missbräuchliche Ermessensentscheidung ist ebenso wie die Ermessensüberschreitung und jeder andere Fehlgebrauch durch das Gesetz nicht gedeckt. Allerdings hat die Entscheidung keinen Charakter als Verwaltungsakt und ist deswegen von keiner Seite anfechtbar. Will das Verbindungsbüro die Gewährung der Amtshilfe aus Gründen des Abs. 4 ablehnen, so teilt sie dies dem ersuchenden Staat gem. § 4 Abs. 6 S. 2 EUAHiG mit.
Rz. 9a
§ 4 Abs. 4 Nr. 2 EUAHiG setzt Art. 17 Abs. 4 1. Halbsatz der Amtshilferichtlinie um. Würde durch die Beantwortung des eingehenden Ersuchens ein Handels-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgegeben, so kann die Beantwortung eines eingehenden Auskunftsersuchens abgelehnt werden.
Die Aufzählung der Geheimnisse und Verfahren enthält ausschließlich unternehmensbezogene Geheimnisse. Für die Bedeutung der Geheimnisse hat der BFH zum bisherigen Recht in einem Grundsatzurteil eine einengende Auffassung vertreten. Es müsse sich um Tatsachen oder Umstände handeln, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung und praktischer Nutzbarkeit handeln. Dieser Auffassung hatte sich auch die Verwaltung angeschlossen. Wenn auch damals die Gefahr eines erheblichen Schadens drohen musste, auf die es jetzt nicht mehr ankommt, kann zwar die Möglichkeit einer staatlichen Wirtschaftsspionage nicht ganz ausgeschlossen werden. Das Funktionieren des gemeinsamen EU-Binnenmarktes muss jedoch wenigstens bei der Zusammenarbeit der Finanzverwaltungsbehörden von einem größtmöglichen Vertrauen in die Integrität der Verwaltung ausgehen können. Dennoch ist trotz der engen Auslegung der geschützten Geheimnisse für den Bereich der gewichtigen Geheimnisse der Schutz durch den Ausschluss von der Erteilung von Auskünften zu beachten.
Mit dem Wachstumschancengesetz wurde dieser Ablehnungsgrund von einem vormals obligatorischen gem. Abs. 3 in einen fakultativen und zudem nur auf die konkrete Information begrenzten Ablehnungsgrund i. S. des Abs. 4 geändert. Grund dafür ist die zeitgleiche Einführung der gemeinsamen Prüfung nach § 12a EUAHiG. Bei dieser kommen u. a. Verrechnungspreise oder Betriebsstättengewinnabgrenzungen als möglicher Prüfungsgegenstand in Betracht. Gerade diese offenbaren der prüfenden Person tiefe Einblicke in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Bei der Ermessensentscheidung nach Abs. 4 prüft die Behörde, ob durch die Informationsübermittlung die Gefahr eines Schadens aufseiten der geprüften Person eintritt, die zu dem angestrebten Zweck in keinem angemessenen Verhältnis steht. Beschränkt sich der Zweck allein auf die zutreffende Besteuerung, ist diese vom Betroffenen regelmäßig hinzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die eine entsprechende Information erhaltende Behörde eines anderen Mitgliedstaates ohnehin die Geheimhaltung der erlangten Information gem. Art. 16 Abs. 1 der Amtshilferichtlinie zusichern muss.
Während § 4 Abs. 4 Nr. 2 EUAHiG Ermessen bei der Informationsübermittlung vorsieht, ist die Preisgabe eines entsprechenden Betriebsgeheimnisses außerhalb des EUAHiG nach § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO ohne Ermessen ausgeschlossen. Dies ist einerseits bei besonderen Formen der Amtshilfe gem. § 117e AO, also insbesondere gleichzeitige oder gemeinsame Prüfungen, von Bedeutung, andererseits bei der Gewährung von Amtshilfe innerhalb der EU, soweit nicht das EUAHiG Anwendung findet.