Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 3
Schon bisher war umstritten, ob das BMF den Finanzbehörden der Länder allgemeine Weisungen erteilen darf. Im Bereich der Auftragsverwaltung gem. Art. 108 Abs. 3 GG unterstehen zwar die Länder nach Art. 85 Abs. 3 GG den Weisungen des BMF. Da jedoch nach Art. 108 Abs. 7 GG die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen kann, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, muss geschlossen werden, dass Weisungen i. S. d. Art. 108 Abs. 3 GG nur Einzelweisungen sein können. Allgemeine Weisungen des BMF würden danach die für allgemeine Verwaltungsvorschriften erforderliche Zustimmung des Bundesrats umgehen. Da zu dieser Frage zwischen dem BMF und den obersten Finanzbehörden der Länder Meinungsverschiedenheiten bestanden, ist folgende Lösung vereinbart worden:
Zur verwaltungsinternen Regelung bestimmter über einen Einzelfall hinaus bedeutsamer Fragen sendet das BMF zuvor mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmte Schreiben, deren Inhalt diese dann als Erlasse an die nachgeordneten Behörden weitergeben. Die Abstimmung über den Inhalt der Schreiben geschieht in den Sitzungen oder auf schriftlichem Weg im Kreis der jeweiligen Fachreferatsleiter, in besonderen Fällen im Kreis der Steuerabteilungsleiter der obersten Landesfinanzbehörden. Auch die bei der Abstimmung unterlegenen Länder fügen sich im Interesse einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung dem Mehrheitsergebnis. Dieses seit 1970 geübte Verfahren hat sich bewährt.
Rz. 4
Für eine Änderung – oder aus der Sicht des BMF: eine Klarstellung – des Art. 108 GG dahin, dass das BMF zur Erteilung allgemeiner fachlicher Weisungen berechtigt ist, ist zurzeit eine für die Grundgesetzänderung erforderliche qualifizierte Mehrheit im Bundesrat nicht zu erreichen. Deswegen ist durch die Regelung in § 21a FVG, also durch einfaches Gesetz, ein anderer Weg versucht worden, der mit Sicherheit nichts für eine Verbesserung der Einheitlichkeit der Besteuerung gegenüber dem bisher geübten Verfahren bewirken kann. Nach dieser Regelung in § 21a Abs. 1 S. 1 FVG darf das BMF allgemeine fachliche Weisungen erteilen, wenn die obersten Finanzbehörden zustimmen (vgl. Seer, in T/K, AO, § 21a FVG Rz. 2). S. 2 dieser Vorschrift bestimmt dazu, dass die Zustimmung als erteilt gilt, wenn nicht eine Mehrheit der Länder widerspricht. Wegen der Formulierung in § 21a Abs. 1 S. 1 FVG, die die Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder auf das Wort "bestimmt" bezieht, nicht aber auf das im Zusammenhang mit den fachlichen Weisungen genannte Wort "erteilt", könnten Zweifel an der Notwendigkeit dieser Zustimmung der Länder für die allgemeinen Weisungen des BMF bestehen. Diese unsaubere Formulierung muss jedoch schon deswegen so ausgelegt werden, dass die Zustimmung erforderlich ist, weil die Vorschrift sonst gegen Art. 108 GG verstoßen würde (verfassungskonforme Auslegung). Im Übrigen bleiben Zweifel, ob dieser Weg nicht insgesamt gegen Art. 108 GG verstößt, weil die nach Art. 108 Abs. 7 GG erforderliche Zustimmung des Bundesrats nicht durch eine Widerspruchsregel mit Fiktion der Zustimmung der Mehrheit der obersten Finanzbehörden der Länder ersetzt werden kann (ebenso Seer, in T/K, AO, § 21a FVG Rz. 3).