Rz. 11
Ist dem Stpfl. bei der Erstellung der strafbefreienden Erklärung ein Schreib- oder Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO unterlaufen, so ist fraglich, ob die durch die Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung in direkter oder analoger Anwendung des § 129 AO berichtigt werden kann.
§ 129 AO betrifft Versehen der Finanzbehörde, nicht hingegen solche des Stpfl. Etwas anderes kann lediglich gelten, wenn die offenbare Fehlerhaftigkeit der Angaben i. S. d. § 129 AO für die Finanzbehörde erkennbar war und sie das Ergebnis übernimmt und sich somit den erkennbaren Fehler zu Eigen macht. Im Fall einer strafbefreienden Erklärung übernimmt die Finanzbehörde den Fehler des Stpfl. jedoch nicht, da sie weder einen Steuerbescheid erlässt noch dem Stpfl. eine Bestätigung seiner Amnestierung erteilt. Es handelt sich um eine Selbstveranlagung, an der die Finanzbehörde keinen Anteil hat. Eine direkte Anwendung des § 129 AO ist somit ausgeschlossen.
7.1 Analoge Anwendung des § 129 AO
Rz. 12
Eine analoge Anwendung des § 129 AO auf offenbare Unrichtigkeiten einer strafbefreienden Erklärung würde voraussetzen, dass eine planwidrige Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung besteht und die Rechts- und Interessenlage des ungeregelten Falls der des geregelten Falls vergleichbar ist. Sinn und Zweck des § 129 AO ist es, eine Berichtigung zu ermöglichen, wenn der äußere Wortlaut eines Verwaltungsakts nicht seinen tatsächlichen, objektiven Regelungsgehalt wiedergibt. Äußerer Schein und objektiver Gehalt des Verwaltungsakts weichen somit offensichtlich voneinander ab; § 129 AO dient dazu, dieses äußere Erscheinungsbild mit dem objektiven Regelungsgehalt in Einklang zu bringen.
Da die strafbefreiende Erklärung durch § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung gleichgestellt ist, handelt es sich bei ihr um einen Verwaltungsakt kraft Fiktion. Auch bei ihr kann es zu offenbaren Unrichtigkeiten kommen, sodass äußerer Schein und objektiver Gehalt des Verwaltungsakts offensichtlich voneinander abweichen können. Folglich ist eine analoge Anwendung des § 129 AO möglich. Für die Frage, ob eine offenbare Unrichtigkeit gegeben ist, ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen.
Geht man von der analogen Anwendbarkeit des § 129 AO aus, so ist eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nur möglich, wenn der Erklärende überzeugend darlegt, dass nur ein mechanisches Versehen vorliegt. Handelt es sich hingegen z. B. um einen Rechtsanwendungsfehler, so ist § 129 AO auch analog nicht anwendbar.
7.2 Berichtigungsfrist
Rz. 13
Die Frist für eine Berichtigung analog § 129 AO kann jedoch nach dem Sinn und Zweck des StraBEG nur die des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StraBEG sein. Eine unbefristete Korrekturmöglichkeit würde wie auch jede andere Frist dazu führen, dass nicht innerhalb von 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung Rechtssicherheit und Rechtsfriede eintreten. Ferner würde eine spätere Berichtigung in analoger Anwendung des § 129 AO auch nicht sinnvoll sein. Nach dem klaren Wortlaut des StraBEG greift die straf- und bußgeldbefreiende Wirkung nur soweit ein, wie erklärt und innerhalb der Frist gezahlt wurde. Würde nach Ablauf der 10-Tages-Frist eine Berichtigung nach § 129 AO erfolgen, durch die die zu zahlende Steuer höher wird, so würde dies selbst dann nicht zu einer Strafbefreiung führen, wenn innerhalb von 10 Tagen nach der Berichtigung die sich daraus ergebende Zahlung erfolgt. Auch eine erneute Amnestieerklärung wäre aufgrund der Sperrwirkung des § 7 S. 1 Nr. 3 StraBEG ausgeschlossen. Das StraBEG überträgt die Verantwortung für die Abgabe der strafbefreienden Erklärung, ihre Vollständigkeit, die rechtzeitige Zahlung und den Nachweis ihres Gegenstands in vollem Umfang dem Erklärenden. Folglich widerspräche es den zugrunde liegenden Wertungen und dem Wortlaut des StraBEG, ein "Hintertürchen" zu öffnen, um die 10-Tages-Frist und die "Soweit"-Regelungen der §§ 4 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1 StraBEG zu umgehen.
Entdeckt der Erklärende nach Ablauf der Frist des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StraBEG eine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO, so hat er allerdings aufgrund § 7 S. 2 StraBEG die Möglichkeit, eine erneute strafbefreiende Erklärung bzgl. des Teils abzugeben, der von der unrichtigen Erklärung nicht erfasst wurde, sofern nicht der Ausschlussgrund des § 7 S. 1 Nr. 3 StraBEG eingreift.