Prof. Dr. Gerrit Frotscher
3.1 Stellung der Außenprüfung im Steuerverfahren
Rz. 11
Die Außenprüfung ist ein Teil des Steuerverfahrensrechts, das in den §§ 78–346 AO geregelt ist. Das Steuerverfahrensrecht steht im Gegensatz zum Steuerschuldrecht, §§ 33–77 AO, dem Recht des Steuerrechtsschutzes, §§ 347–368 AO, und dem Steuerstrafrecht, §§ 369–412 AO. Für das Steuerverfahrensrecht und damit auch für die Außenprüfung gelten die den einzelnen Teilen der AO vorgeschalteten Einleitenden Bestimmungen als allgemeiner Teil.
Das Steuerverfahrensrecht enthält allgemeine Verfahrensregelungen, zu denen die §§ 78–154 AO zu rechnen sind, sowie besondere Regelungen über bestimmte Verfahrensarten. Zu den besonderen Verfahrensarten gehören das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren, §§ 155–192 AO, das Außenprüfungsverfahren, §§ 193–207 AO, das Steuer- und Zollfahndungsverfahren, § 208 AO, das zollrechtliche Steueraufsichtsverfahren, §§ 209–217 AO, das Erhebungsverfahren, §§ 218–248 AO, und das Vollstreckungsverfahren, §§ 249–346 AO, das kein besonderes Verfahren ist, sondern eine Unterart des Erhebungsverfahrens. Untereinander sind diese Verfahren selbstständig, wenn auch u. U. aufeinander bezogen. Sie haben jeweils typische Funktionen, sodass sich im Idealfall keine Überschneidungen ergeben.
Völlig verbindungslos zueinander, und damit auch ohne Überschneidungen, stehen Außenprüfungsverfahren einerseits und Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren andererseits. Diese Verfahren verfolgen jeweils so unterschiedliche Ziele, dass eine Kollision ausgeschlossen erscheint. Zweck der Außenprüfung ist die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen (vgl. Rz. 8), also die Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer maßgebend sind. Verhältnisse, die für die Erhebung der Steuer (einschließlich Vollstreckung) maßgebend oder hilfreich sind (wie etwa Vermögensverhältnisse usw.), sind keine Besteuerungsgrundlagen. Ihre Ermittlung kann daher nicht durch eine Außenprüfung erfolgen, Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der Erhebung und Vollstreckung fallen unter §§ 93ff. AO.
3.2 Außenprüfung und Steuerermittlung (§§ 93–107)
Rz. 12
Das Verhältnis von Außenprüfung und Steuerermittlung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerermittlung, im Gegensatz zur Außenprüfung, keine selbstständige Verfahrensart ist. Die Vorschriften über die Steuerermittlung, §§ 93–107 AO, gehören zum allgemeinen Teil des Steuerverfahrensrechts, sind also im Rahmen der besonderen Verfahrensarten, wie der Außenprüfung, anwendbar. Da sowohl die allgemeinen Steuerermittlungsvorschriften als auch die Außenprüfung ihrem Zweck nach auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gerichtet sind (vgl. Rz. 11), ist ihre Unterscheidung voneinander für die Definition des Begriffs der Außenprüfung von wesentlicher Bedeutung. Vgl. daher Rz. 6ff. sowie zur Abgrenzung Außenprüfung von Ermittlungshandlungen im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens ("betriebsnahe Veranlagung") Rz. 15 sowie § 203 AO Rz. 3.
3.3 Außenprüfung und Festsetzungs- und Feststellungsverfahren (§§ 155–192)
Rz. 13
Nach dem Aufbau des Gesetzes umfasst das "Festsetzungs- und Feststellungsverfahren" vier unterschiedliche Verfahren, die zum Bereich der Steuerfestsetzung im weiteren Sinn gehören, nämlich das eigentliche Steuerfestsetzungsverfahren, das Feststellungsverfahren einschließlich der Festsetzung der Steuermessbeträge als einer Vorstufe des eigentlichen Steuerfestsetzungsverfahrens, das Zerlegungs- und Zuteilungsverfahren sowie das Haftungsverfahren. Das Außenprüfungsverfahren ermittelt die Besteuerungsgrundlagen, die dann im Weg der Steuerfestsetzung ausgewertet werden. Grundsätzlich kann die Auswertung in jedem dieser vier Verfahren erfolgen. Problemlos ist dies bei Steuerfestsetzungs- und Steuerfeststellungsverfahren. Die Außenprüfung kann aber auch auf die Festsetzung einer Haftungsschuld gerichtet sein sowie auf das Zerlegungs- und Zuteilungsverfahren (z. B. Ermittlung der Zerlegungsmaßstäbe).
Rz. 14
Dem Grundsatz nach verfolgen Außenprüfung und Steuerfestsetzung getrennte Ziele. Das Festsetzungsverfahren hat die Festsetzung der Steuer zum Gegenstand, die Außenprüfung soll durch Prüfung bei dem Stpfl. in besonders effektiver und intensiver Weise die Besteuerungsgrundlagen ermitteln und damit eine Voraussetzung für eine richtige Steuerfestsetzung schaffen. Diese klare Unterscheidung in Ermittlung (= Außenprüfung) und Festsetzung (= Festsetzungsverfahren) ist jedoch in zweifacher Hinsicht durch die Institute der betriebsnahen Veranlagung (Rz. 15) und der veranlagenden Außenprüfung (Rz. 16) durchbrochen. So gehört auch zum Festsetzungsverfahren untrennbar eine Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, nachdem die AO nicht den Weg gewählt hat, ein eigenständiges Ermittlungsverfahren einzuführen (sodass das Außenprüfungsverfahren eine Unterart dieses Ermittlungsverfahrens wäre), sondern die Beweisvorschriften in den allgemeinen Teil, und damit auch im Fest...