Prof. Dr. Gerrit Frotscher
5.1 Allgemeines
Rz. 46
Weder durch Gesetz noch durch Verwaltungsanweisung sind der Außenprüfung die Anwendung bestimmter Methoden vorgeschrieben. Die Auswahl einer oder mehrerer der zur Verfügung stehenden Prüfungsmethoden wird von der Eigenart des zu prüfenden Betriebs, die Prüfungsaufgabe, der zur Verfügung stehenden Zeit und den Fähigkeiten und Erfahrungen des Prüfers abhängen. Rechtlich ist jede Prüfungsmethode zulässig, die generell geeignet ist, das Prüfungsziel zu erreichen, und die den Stpfl. nicht unangemessen belastet (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel). Bei Vorhandensein mehrerer in gleicher Weise geeigneter Prüfungsmethoden hat der Außenprüfer diejenige Methode anzuwenden, die den Stpfl. weniger belastet (Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs).
Allgemein lassen sich die Prüfungsmethoden in Methoden der Einzelprüfung und in Verprobungsmethoden unterteilen.
5.2 Methoden der Einzelprüfung
Rz. 47
Die Methoden der Einzelprüfung (unmittelbare Methoden) zielen darauf ab festzustellen, ob ein einzelner Geschäftsvorfall in der Buchführung richtig behandelt und steuerlich richtig gewürdigt wurde. Im Einzelnen unterscheidet man die "retrograde Methode", bei der der Außenprüfer, beginnend bei der Bilanz/Gewinn- und Verlustrechnung, die einzelnen Geschäftsvorfälle über Sachkonten und Grundbuch bis zum Beleg zurückverfolgt, sowie die "progressive Methode", bei der Ausgangspunkt der Buchungsbeleg ist und nunmehr die Behandlung dieses Belegs über Grundbuch und Sachkonten bis in die Bilanz/Gewinn- und Verlustrechnung verfolgt wird. Möglich ist auch eine Kombination beider Methoden.
Rz. 47a
Diese unmittelbaren Methoden sind die einzigen Methoden, die unmittelbar verwertbare Ergebnisse, also den Beweis einer richtigen oder falschen steuerlichen Behandlung des Geschäftsvorfalls, erbringen. Sie stehen daher grundsätzlich im Mittelpunkt der steuerlichen Außenprüfung. Ihr Nachteil ist, dass sie insbesondere bei Großbetrieben wegen der Vielzahl der Geschäftsvorfälle kaum umfassend angewandt werden können und daher häufig nur zu Stichprobenprüfungen führen.
5.3 Verprobungsmethoden
5.3.1 Allgemeines
Rz. 48
Den Nachteil der unmittelbaren Methoden sollen die Verprobungsmethoden ausschließen. Sie sind darauf gerichtet, durch mittelbare Prüfungen Prüfungsfelder zu identifizieren, die prüfungswürdig erscheinen. Die Verprobungsmethoden sind regelmäßig Schlüssigkeitsprüfungen. Sie sollen ermitteln, ob das in der Buchführung ausgewiesene Ergebnis des ganzen Betriebs oder einzelner Betriebsteile/Kontengruppen schlüssig ist. Ihr Vorteil besteht darin, dass große Prüfungsfelder verhältnismäßig schnell auf Schlüssigkeit hin geprüft werden können. Ihr Nachteil liegt darin, dass sie nie den unmittelbaren Beweis für eine unrichtige steuerliche Behandlung erbringen können, sondern immer nur Indizien. Es bedarf regelmäßig weiterer Prüfungen durch die unmittelbaren Methoden, um festzustellen, worauf die Unschlüssigkeit beruht, bzw. ob die Ergebnisse wegen des Vorliegens besonderer, ungewöhnlicher Umstände nicht doch schlüssig sind. An Verprobungsmethoden werden im Wesentlichen innerer und äußerer Betriebsvergleich, Vermögenszuwachsrechnung, Geldverkehrsrechnung sowie einige, für einzelne Steuerarten anwendbare Verprobungsmethoden (z. B. Debitorenprobe bei USt) angewandt.
5.3.2 Betriebs- und Richtsatzvergleich
Rz. 49
Beim inneren Betriebsvergleich werden die Besteuerungsgrundlagen der zu prüfenden Periode durch Vergleich mit den Besteuerungsgrundlagen anderer Zeitabschnitte desselben Stpfl. verprobt. Auf diese Weise sollen Abweichungen von den "Normalverhältnissen" ermittelt werden, um hieraus Hinweise auf prüfungswürdige Zeiträume/Besteuerungsgrundlagen zu erhalten. Bei Anwendung des inneren Betriebsvergleichs ist besonders darauf zu achten, dass die Zeiträume, die verglichen werden, auch tatsächlich vergleichbar sind, d. h. keine wesentlichen Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sind (wie z. B. Betriebsvergrößerungen, wesentliche Investitionen, Einstellung von Teilbereichen, außerordentliche Erträge oder Aufwendungen). Diese Unterschiede müssen beim Betriebsvergleich berücksichtigt, d. h. neutralisiert werden.
Rz. 50
Beim äußeren Betriebsvergleich werden die Besteuerungsgrundlagen durch den Vergleich des geprüften Betriebs mit anderen, ähnlich strukturierten Betrieben verprobt. Der äußere Betriebsvergleich kann Einzelbetriebsvergleich (Vergleich mit einem oder einzelnen anderen Betrieben) oder Richtsatzvergleich (Vergleich mit den sich in der Richtsatzsammlung niedergeschlagenen Verhältnissen einer Vielzahl von Betrieben) sein. Dem Richtsatzvergleich ähnelt der Vergleich der Abschreibungen eines Unternehmens anhand der AfA-Tabellen. Beim äußeren Betriebsvergleich muss, notfalls durch Umrechnungen, von der Individualität des einzelnen Betriebs, der geprüft wir...