Rz. 57

Als eine neuere Verprobungsmethode ist der Chi2-Anpassungstest auch von der Außenprüfung eingesetzt worden[1]. Es handelt sich um einen inneren Betriebsvergleich, da nur Werte des geprüften Betriebs miteinander verglichen werden. Diese aus der Statistik entlehnte Methode kann bei der Prüfung von Unternehmen angewandt werden, die überwiegend Bareinnahmen haben, wie Lebensmittel-Einzelhandel, Gastronomie, Friseure oder Taxiunternehmen, aber auch bei Kilometerständen von Fahrtenbüchern. Der Test beruht auf der Annahme, dass bei einer Mehrzahl von einzelnen Bareinnahmen die zehn Ziffern 0 bis 9 statistisch etwa gleichmäßig über die verschiedenen Stellen der Zahlen verteilt sind. Die Tagesbareinnahmen werden daher über einen längeren Zeitraum danach untersucht, wie oft die Ziffern 0 bis 9 an jeweils der gleichen Stelle der Zahlen vorkommen (d. h. wie oft als Einer, als Zehner, als Hunderter, an der ersten oder der zweiten Stelle nach dem Komma). Z. B. ist danach bei 600 Tageseinnahmen zu erwarten, dass jede Ziffer an der gleichen Stelle 60-mal vorkommt.

 

Rz. 58

Eine weitere Wahrscheinlichkeitsannahme beruht auf der empirischen Feststellung, dass bei den beiden führenden Ziffern einer Zahl die Wahrscheinlichkeit mit der Höhe dieser Zahlen abnimmt, d. h., dass die führende Ziffer eine Zahl mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit eine 1 ist als eine 2 usw. ist, sodass die 9 die geringste Wahrscheinlichkeit hat ("Benford-Law"); ähnlich für die zweite Ziffer einer Zahl. Bei den weiteren Ziffern tendiert die Häufigkeit dagegen zu einer Normalverteilung. Für Geldbeträge lässt sich das dadurch erklären, dass kleine Beträge (mit der 1 oder der 2 als führender Ziffer) häufiger sind als große Beträge (mit der 8 oder der 9 als führender Ziffer).

 

Rz. 59

Der Chi2-Anpassungstest prüft nun mit statistischen Methoden, ob die tatsächlichen Abweichungen von der danach zu erwarteten Standardverteilung statistisch signifikant sind oder noch innerhalb des Rahmens der regelmäßig zu erwartenden Variationsbreite liegen. Zu diesem Zweck wird für jede Ziffer die Abweichung von der erwarteten Standardverteilung ermittelt (ohne Vorzeichen, d. h. ein höheres Vorkommen wird genauso behandelt wie ein geringeres). Wird z. B. erwartet, dass die Ziffer 3 insgesamt 60-mal vorkommt, erscheint sie tatsächlich aber nur 55-mal, ist die Abweichung von der Standardabweichung 5. Diese Abweichung wird in das Quadrat erhoben und alle so ermittelten Abweichungen der zehn Ziffern addiert. Die Summe wird dann durch die Anzahl des statistisch erwarteten Vorkommens jeder Ziffer geteilt (in dem hier verwendeten Beispiel also durch 60). Entspricht das Vorkommen genau der Standardverteilung, muss das Ergebnis ("Chi2-Testwert") 0 sein. Ist das Ergebnis nicht Null, weicht das Vorkommen der einzelnen Ziffern also von der Standardverteilung ab. Ein gewisses Abweichen liegt noch im Zufallsbereich und ist daher noch nicht signifikant; die Finanzverwaltung sieht ein Ergebnis bis zu 30 als noch nicht signifikant an; ein Überschreiten des Testwerts von 30 soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % auf Manipulationen hindeuten[2]. Ist das Ergebnis höher, geht sie davon aus, dass die Abweichungen nicht mehr aus dem Zufall erklärt werden können, sondern auf bewusste Eingriffe des Stpfl. zurückgehen. Die Annahme hierbei ist, dass der Einzelne "Lieblingszahlen" hat, die er öfter als andere verwendet; wenn der Stpfl. also Eintragungen in das Kassenbuch frei erfindet, wird der Chi2-Anpassungstest zu einem signifikanten Testwert führen, da die von dem Stpfl. verwendeten Ziffern signifikant von der Gleichverteilung abweichen[3].

 

Rz. 60

Der Chi2-Anpassungstest ist eine Verprobungsmethode, kein Beweis für ein unredliches Verhalten des Stpfl. Sein Wert liegt darin, dass mit ihm sinnvolle Prüfungsfelder identifiziert werden können. Ein signifikantes Testergebnis kann Anlass zu einer genaueren Prüfung des Barverkehrs sein, aber allein nie Grundlage einer Schätzung[4]. Kommt allerdings die Feststellung gravierender Buchführungsmängel hinzu (z. B. der Nachweis, dass die Kassenführung wesentliche Mängel aufweist), kann der Chi2-Anpassungstest als Methode der Schätzung herangezogen werden. Das bedeutet, dass die Berechtigung zur Schätzung nach § 162 AO durch andere Feststellungen (z. B. häufige Kassenfehlbeträge, Rz. 54, durch Geldverkehrsrechnung, Rz. 53, durch Vermögenszuwachsrechnung, Rz. 55) nachgewiesen werden muss; zur Höhe der Schätzung (und nur dazu) kann dann der Chi2-Anpassungstest herangezogen werden. Statistische Methoden taugen kaum zur Rechtfertigung einer Schätzung dem Grunde nach, sondern können nur bei einer mit den üblichen Beweismitteln nachgewiesenen Beanstandung der Buchführung die Höhe der Schätzung bestimmen[5]. Insgesamt entspricht der Beweiswert des Chi2-Tests mehr dem eines Richtsatzvergleichs (vgl. Rz. 50ff.), obwohl es sich, anders als beim Richtsatzvergleich, um einen inneren Betriebsvergleich handelt.

 

Rz. 61

Bei der Anwendung des Chi2-Anpassungstests ist zu...

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