Rz. 1
Eine Ordnungswidrigkeit ist gem. § 1 Abs. 1 OWiG eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Im Gegensatz dazu ist die Definition der Steuer- oder Zollordnungswidrigkeiten in § 377 Abs. 1 AO deutlich eingeschränkt. Danach sind Steuer- bzw. Zollordnungswidrigkeiten "Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können". Entscheidend ist somit, dass die Bußgeldvorschrift in einem Steuergesetz geregelt ist. Steuergesetz ist jede steuerlichen Zwecken dienende Rechtsnorm. Ob die Norm im Zusammenhang mit der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen oder der Durchsetzung von Steueransprüchen steht, ist unerheblich. Ist eine Ordnungswidrigkeit in einem Gesetz geregelt, das nicht steuerlichen Zwecken dient, so liegt keine Steuerordnungswidrigkeit, sondern eine Ordnungswidrigkeit vor. Folglich ist die Finanzbehörde in diesen Fällen nicht zuständig für die bußgeldrechtliche Verfolgung, vgl. auch Webel, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 409 AO und die Ausnahmen in Rz. 3.
Neben der Abgabenordnung – mit den dort in den §§ 378–383 AO geregelten Ordnungswidrigkeiten – enthalten auch die Einzelsteuergesetze zahlreiche Steuerordnungswidrigkeiten. Darüber hinaus handelt es sich auch bei untergesetzlichen Normen, die sich mit Zöllen oder Abschöpfungen beschäftigen, um Steuergesetze i. S. d. § 377 Abs. 1 AO, die Zollordnungswidrigkeiten und damit "Steuerordnungswidrigkeiten" i. S. d. § 377 Abs. 1 AO enthalten.
Rz. 2
Als Steuerordnungswidrigkeiten sind anzusehen:
- Leichtfertige Steuerverkürzung, § 378 AO,
- Steuergefährdung, § 379 AO,
- Gefährdung von Abzugsteuern, § 380 AO,
- Verbrauchsteuergefährdung, § 381 AO, bei Verstößen gegen Pflichten nach den Verbrauchsteuergesetzen, z. B. § 24 KaffeeStG, § 44 KaffeeStV, § 30 BierStG, § 64 EnergieStG, § 35 SchaumwZwStG, § 36 TabakStG,
- Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, § 382 AO sowie unter Verweis auf diese Vorschrift Verstöße nach dem Zollverwaltungsgesetz, vgl. § 31 ZollVG,
- unzulässiger Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen, § 383 AO,
- Pflichtverletzungen bei der Übermittlung von Vollmachtsdaten i. S. d. § 80a AO, § 383b AO,
- Verstoß gegen umsatzsteuerliche Ordnungsvorschriften, § 26a UStG,
- Verstoß gegen Mitwirkungspflichten gem. §§ 50e Abs. 1 und 50f EStG,
- Schwarzhandel mit Zigaretten, § 37 TabStG,
- Verstoß gegen § 33 Abs. 4 ErbStG.
Rz. 3
Der Anwendungsbereich der Abgabenordnung erstreckt sich aufgrund spezieller gesetzlicher Zuständigkeitsbestimmungen auch auf bestimmte andere Ordnungswidrigkeiten, obwohl es sich bei ihnen nicht um Steuerordnungswidrigkeiten i. S. d. § 377 Abs. 1 AO handelt. Insoweit sind zu nennen:
Bei diesen Zuwiderhandlungen gelten die abgabenrechtlichen Bußgeldbestimmungen der AO entsprechend.
Rz. 4
Daneben enthalten das StBerG und das OWiG weitere Bußgeldtatbestände, bei denen es sich auch nicht um Steuer- bzw. Zollordnungswidrigkeiten handelt, für deren Verfolgung jedoch trotzdem die Finanzbehörde zuständig ist:
- §§ 160–163 StBerG, auf die gem. § 164 StBerG die Abgabenordnung entsprechend anwendbar ist,
- Verletzung der Identifizierungs-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Melde- und Duldungspflichten nach § 56 GwG und
- Ordnungswidrigkeiten gem. § 130 OWiG, auf die gem. § 131 Abs. 3 OWiG aufgrund der Sachnähe zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem Steuerrecht das Verfahrensrecht der AO ebenfalls entsprechend anwendbar sein kann.