Rz. 5

Das Wesen einer Ermessensentscheidung besteht darin, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen des von ihm aufgestellten Tatbestands verschiedene Rechtsfolgen bestimmt. Es steht im Ermessen des Rechtsanwenders, welche von mehreren möglichen Rechtsfolgen er eintreten lassen will, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind[1], wobei er eine wertende Entscheidung im Rahmen des durch das Gesetz vorgegebenen Zwecks der Ermächtigung zu treffen hat.[2] Ermessen gibt es nur auf der Rechtsfolgeseite einer Norm.[3] Der unter den Tatbestand der Rechtsnorm zu subsumierende Sachverhalt ergibt sich allein aus der konkreten Lebenswirklichkeit. Enthält der Tatbestand einer Norm einen unbestimmten Rechtsbegriff, ist dieser an der Lebenswirklichkeit zu messen. Die behördliche Entscheidung unterliegt insoweit jedenfalls im Steuerrecht der vollen gerichtlichen Überprüfung. Ein Ermessen besteht hier nicht.[4]

 

Rz. 6

Nur ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Umstände, kann der Ermessensspielraum, zwischen verschiedenen Rechtsfolgen nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu wählen, derart reduziert sein, dass nur eine einzige Ermessensentscheidung, also nur die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge, rechtmäßig ist. Man spricht dann von einer Ermessensreduzierung auf Null.[5] Das ist z. B. denkbar, wenn die Verwaltung eine Selbstbindung dahin eingegangen ist, bei Vorliegen eines bestimmten Tatbestands immer die gleiche Rechtsfolge anzuordnen, oder wenn unter bestimmten Konstellationen nur eine Rechtsfolge denkbar ist, bei deren Anordnung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wäre.

[2] BFH v. 2.10.1991, X R 89/89, BStBl II 1992, 220; vgl. auch Schwarz, in Schwarz, AO, Erläuterungen zu § 5 AO.
[3] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 102 FGO Rz. 30 m. w. N.
[4] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 102 FGO Rz. 44ff., 86.

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