1 Allgemeines
Rz. 1
Das nach Beratung und Abstimmung gefällte Urteil wird durch Verkündung oder Zustellung gem. § 104 FGO erlassen. Erst danach ist das Urteil wirksam. Solange es noch nicht i. S. v. § 104 FGO verkündet oder zugestellt ist, stellt das Urteil ein noch abänderbares "Internum" des Gerichts dar. Vor Erlass des Urteils kann es durch die an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richter nach erneuter Beratung und Abstimmung geändert bzw. kann die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden. Nach dem Erlass des Urteils i. S. d. § 104 FGO sind nur noch Berichtigungen und Ergänzungen nach §§ 107–109 FGO möglich. Ebenso sind nach der Verkündung des Urteils eingehende Schriftsätze nicht mehr zu berücksichtigen.
Rz. 2
Beim Erlass von Urteilen ist nach § 104 FGO zu unterscheiden, ob das Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung oder ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Ein Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung kann durch Verkündung oder Zustellung erlassen werden, ein Urteil ohne mündliche Verhandlung nur durch Zustellung. Bei der Zustellung nach § 104 Abs. 3 FGO (Urteil ohne mündliche Verhandlung) gelten keine Besonderheiten. Es wird nach § 53 Abs. 2 und 3 FGO zugestellt. Für Beschlüsse ist § 104 FGO entsprechend anwendbar, obwohl er in § 113 FGO nicht erwähnt wird. § 104 Abs. 3 FGO gilt auch für Gerichtsbescheide.
2 Verkündung (Abs. 1)
Rz. 3
Bei Entscheidungen aufgrund mündlicher Verhandlung liegt es im freien Ermessen des Gerichts, ob die Entscheidung verkündet oder zugestellt werden soll. Die Worte "i. d. R." in § 104 Abs. 1 FGO beziehen sich nur auf den Zeitpunkt der Verkündung. Ein entsprechender Beschluss ist am Schluss jeder mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden zu verkünden. Der Beschluss kann im schriftlichen Verfahren nachgeholt werden. Unterblieb der Beschluss, ist dieser Verfahrensfehler i. d. R. unerheblich. Hat das Gericht ein Urteil verkündet, so ist das vollständige Urteil später außerdem zuzustellen. Die Rechtsmittelfristen laufen für jeden Beteiligten getrennt erst ab Zustellung.
Rz. 4
Verkündet wird durch Verlesung der Urteilsformel. Dazu muss der Tenor vorher schriftlich festgehalten worden sein. Die Urteilsgründe können, werden aber normalerweise nicht verkündet. Wegen des weiteren Verfahrens s. § 105 Abs. 4 FGO. Die Verkündung soll am Tag der mündlichen Verhandlung erfolgen. In der Praxis werden häufig mehrere mündliche Verhandlungen an einem Tag in einer Sitzung anberaumt. Der gesetzlichen Regelung wird genügt, wenn am Schluss einer jeden mündlichen Verhandlung beschlossen und verkündet wird, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergeht. Eine Verkündung sämtlicher Urteile am Ende der Sitzung ist damit ebenso von § 104 Abs. 1 FGO gedeckt wie die Urteilsverkündung nach Schluss einer jeden mündlichen Verhandlung. Das Gericht kann auch beschließen, einen gesonderten Termin zur Verkündung anzuberaumen, der spätestens zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung liegen soll ("Termin zur Verkündung einer Entscheidung …"), wenn es nicht überhaupt die Zustellung nach § 104 Abs. 2 FGO vorzieht. Soweit vertreten wird, dass sich die Zwei-Wochen-Frist im Revisionsverfahren wegen der größeren Richterbank ohne Weiteres auf vier Wochen verlängert, ist dies nicht recht nachvollziehbar. Zwar handelt es sich bei § 104 Abs. 1 S. 1 FGO um eine "Soll-Bestimmung". Dies rechtfertigt es m. E. jedoch nicht, eine grundsätzliche Ausnahme hiervon für Revisionsverfahren anzunehmen. Allenfalls wäre eine Abweichung von dem gesetzlich geregelten Grundfall in Ausnahmefällen möglich.
Rz. 5
Wird am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet, liest der Vorsitzende – nach (nochmaligem) Aufruf der Sache – im Beisein der an der Entscheidung beteiligten Richter den Tenor der Entscheidung vor. Wird ein besonderer Verkündungstermin angesetzt (s. Rz. 4), kann der Vorsitzende allein oder im Beisein der dann nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter verkünden. Die Richter, die das Urteil fällen, und diejenigen, die es (in einem gesonderten Termin) verkünden, müssen nicht identisch sein. Die Verkündung ist öffentlich. Die Anwesenheit der Beteiligten ist für die Wirksamkeit der Verkündung nicht erforderlich. Erscheint von den Beteiligten niemand zur Verkündung – was die Regel ist –, kann durch Bezugnahme auf den Tenor verkündet werden. Auch das verkündete Urteil ist den Beteiligten zuzustellen. Die nachträgliche fehlerfreie Zustellung heilt eine mangelhafte Verkündung.