1 Allgemeines
Rz. 1
Nach dem Wirksamwerden sind Urteile für das Gericht gem. § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 318 ZPO bindend. Die Bindungswirkung beginnt mit Verkündung oder Zustellung des Urteils. Die §§ 107-109 FGO befreien das Gericht danach nur sehr eingeschränkt von dieser innerprozessualen Bindungswirkung seiner Entscheidung und ermöglichen nur ausnahmsweise die Berichtigung von Fehlern bzw. Ergänzungen von Unterlassungen, ohne dass dadurch ihre wesentliche Aussage beeinflusst wird. Diese Vorschriften sollen Verfälschungen der richterlichen Entscheidung durch technische Fehlleistungen und banale Irrtümer vermeiden. Sie schützen die Rechtssuchenden vor den Folgen solcher im Justizalltag unvermeidlichen Fehler und sind damit Ausdruck des das Prozessrecht durchziehenden Prinzips der Rücksichtnahme der Rechtssuchenden und ihrer fairen Behandlung.
Die Vorschrift des § 107 Abs. 1 FGO ermöglicht dem Gericht nach Wirksamwerden des Urteils, Schreib- und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigen seiner Entscheidung jederzeit zu berichtigen (Rz. 5ff.). Einzelheiten für das Berichtigungsverfahren sind in § 107 Abs. 2 FGO geregelt (Rz. 14). Sind bei einem Urteil die Voraussetzungen des § 107 FGO nicht erfüllt, dann ist zu prüfen, ob eine Berichtigung oder Ergänzung auf der Grundlage der §§ 108, 109 FGO in Betracht kommt.
Rz. 2
Die Vorschrift ist auch auf die Berichtigung von Beschlüssen gem. § 113 Abs. 1 FGO sowie Gerichtsbescheiden nach § 90a Abs. 3 FGO anwendbar und erfasst alle Bestandteile der gerichtlichen Entscheidung, d. h. Rubrum, Tenor, Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung. Soweit die Beschlüsse allerdings nicht in Rechtskraft erwachsen, sind sie auch unabhängig von der Anwendbarkeit des § 107 FGO änderbar. Die Vorschrift gilt gem. § 121 S. 1 FGO auch in den Rechtsmittelverfahren vor dem BFH.
Zur Frage des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses vgl. Rz. 15.
Rz. 3
Die Berichtigung eines Urteils nach §§ 107-109 FGO hat grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen (Ausnahme für die Berichtigung von Rechtsmittelbelehrungen s. Rz. 17). Den Beteiligten wird zugemutet, in ihren Entschließungen zur Einlegung eines Rechtsmittels die offenbaren Unrichtigkeiten der Entscheidung zu berücksichtigen, schon bevor sie richtiggestellt wird. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Berichtigung des Urteils ist daher insbesondere auch noch nach Einlegung eines Rechtsmittels zulässig. Zielt bei gleichzeitigem Antrag nach § 107 FGO auch die Nichtzulassungsbeschwerde allein auf eine Berichtigung des Urteils wegen einer offenbaren Unrichtigkeit, so kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision nicht erreicht werden. Wurde die vom FG zugelassene Revision eingelegt, kann die Urteilsberichtigung dazu führen, dass die – sich auf die offenbare Unrichtigkeit beziehende – Revision durch Wegfall des Rechtsschutzinteresses unzulässig wird.
Wird eine Urteilsausfertigung vom Gericht aber wegen eines sog. Kanzleiversehens zurückerbeten (vgl. Rz. 13), kann ein Rechtsmittel nicht deswegen als unzulässig verworfen werden, weil es der Beteiligte nicht innerhalb der Frist begründet hat, deren Lauf nach dem Zeitpunkt der Zustellung der unrichtigen Urteilsausfertigung berechnet ist.
Rz. 4
Sinn und Zweck des § 107 FGO besteht darin, dass Übereinstimmung des erkennbar gewollten Inhalts der Aussage des Gerichts mit dem erklärten Text der gerichtlichen Entscheidung hergestellt wird. Das Gericht und damit die Beteiligten sollen nicht an etwas gebunden sein, was in Wirklichkeit nicht gewollt war. Es muss sich allerdings um ein Versehen handeln, durch das, wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler, das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck kommt. Ziel der Berichtigung nach § 107 FGO kann deshalb nur sein, den erklärten mit dem gewollten Inhalt der Entscheidung in Einklang zu bringen. Eine Änderung des gewollten und richtig erklärten Inhalts des Urteils oder des Beschlusses kann dagegen nur – durch einen Verfahrensbeteiligten – mit dem gegen das Urteil zulässigen Rechtsmittel erreicht werden. Schon die bloße Möglichkeit eines – wenn auch offensichtlichen – Fehlers bei der Rechtsanwendung oder der Tatsachenwürdigung eines Verfahrensverstoßes oder eines Denkfehlers schließt eine Berichtigung nach § 107 FGO aus.