Rz. 4
Unter formeller Rechtskraft versteht man die Unanfechtbarkeit und damit Unabänderbarkeit einer Entscheidung. Diese kann bereits mit Erlass der Entscheidung eintreten oder auch erst später, wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Rechtsmittel nicht eingelegt oder darauf verzichtet wurde. Mit Eintritt der formellen Rechtskraft endet die Rechtshängigkeit.
2.1 Voraussetzungen
Rz. 5
Entscheidungen sind rechtskräftig, wenn der Rechtsweg erschöpft ist, d. h. ein ordentliches Rechtsmittel (Beschwerde, Revision) nicht (mehr) gegeben ist. Weiter tritt Rechtskraft ein, wenn ein statthaftes Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt worden ist, wenn darauf von allen Beteiligten verzichtet oder wenn es zurückgenommen wird. Ein verspätet eingelegtes Rechtsmittel hindert den Eintritt der Rechtskraft nicht. Sie kann allenfalls durch Wiedereinsetzung nach § 56 FGO beseitigt werden. Bei einem rechtzeitig eingelegten, an sich statthaften, dann aber als unzulässig verworfenem Rechtsmittel tritt die Rechtskraft erst mit Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung ein. Eine Verfassungsbeschwerde hindert den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht, da die Verfassungsbeschwerde kein Rechtsmittel ist. Wird jedoch der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das BVerfG die Entscheidung auf.
2.2 Wirkung
Rz. 6
Aus formell rechtskräftigen Entscheidungen kann vollstreckt werden. Bei Gestaltungsklagen tritt mit Rechtskraft die Gestaltungswirkung ein. Auch die sog. Tatbestandswirkungen (i. w. S.) eines Urteils setzen Rechtskraft voraus. So kann die in einem finanzgerichtlichen Urteil zum Ausdruck kommende Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Steuerschuld Wirkungen für einen nachfolgenden Straf- oder Schadensersatzprozess haben. Weiter tritt mit der formellen Rechtskraft die Bindungswirkung der Beteiligten an den Inhalt der Entscheidung, die sog. materielle Rechtskraft gem. § 110 FGO, ein.
2.3 Zeitpunkt des Eintritts
Rz. 7
Voraussetzung der formellen Rechtskraft ist die entweder von vornherein bestehende oder durch Nichteinlegen eines Rechtsmittels eingetretene Unanfechtbarkeit der Entscheidung. Wann eine Entscheidung unanfechtbar wird, hängt bei von vornherein unanfechtbaren Entscheidungen von ihrem Erlass, also vom Zeitpunkt der Verkündung bzw. Zustellung, ab. Bei anfechtbaren Entscheidungen bestimmt sich der Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit dagegen nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist, die wiederum regelmäßig vom Zeitpunkt der letzten Zustellung an einen der Beteiligten abhängt. Der Eintritt der formellen Rechtskraft kann daher bei verschiedenen Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen.