Rz. 4
§ 114 FGO gewährt einstweiligen Rechtsschutz in Fällen, in denen der Anspruch im Weg der Verpflichtungs-, Feststellungs- und schlichten Leistungsklage durchzusetzen ist. Bei Anfechtung eines Verwaltungsakts durch Einspruch bzw. Klage steht dagegen die Aussetzung der Vollziehung zu Gebote.
Wird der Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, der auf einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde beruht (z. B. Stundung), darf das Gericht nicht das eigene Ermessen anstelle der Behörde ausüben. Es kann die Behörde nur dann verpflichten, eine Entscheidung in bestimmter Weise zu treffen, wenn das behördliche Ermessen reduziert ist. Ein Anordnungsanspruch ist deshalb nur gegeben, wenn der Antragsteller geltend macht, dass die Ablehnung der von ihm begehrten Maßnahme ermessensfehlerhaft sei und ermessensfehlerfrei nur eine Entscheidung in seinem Sinn ergehen könne.
Ist das Ermessen der Behörde nicht reduziert, kann das Gericht nur durch Bescheidungsurteil entscheiden. Gleichwohl kann ein Bedürfnis nach vorläufigem Rechtsschutz bestehen, den das Gericht auch gewähren kann, weil die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird.
3.1.1 Sicherungsanordnung
Rz. 5
Die Sicherungsanordnung ist auf einen vorläufigen Erhalt des bisherigen Zustands gerichtet. Das Recht, das zu schützen ist, muss Gegenstand der – ggf. künftig zu erhebenden – Klage im Hauptsacheverfahren sein.
Ein Anordnungsgrund kann z. B. sein:
- eine rufgefährdende, durch den Besteuerungszweck nicht mehr gedeckte Mitteilung eines FA an Dritte;
- die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen durch das FA, solange noch nicht über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden worden ist, oder der Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen während des Aussetzungsverfahrens gegen den Grundlagenbescheid. Der Anordnungsanspruch folgt hierbei aus § 258 AO. Es ist nicht zu überprüfen, ob die Vollstreckung rechtmäßig erfolgt; das ist allenfalls Gegenstand des Aussetzungsverfahrens bzw. der Anfechtungsklage gegen die Vollstreckungsmaßnahme;
- die Vollstreckungsmaßnahme aus einem möglicherweise nichtigen Steuerbescheid vorläufig einzustellen, wenn der Antragsteller Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts erhoben hat;
- die Herausgabe von Steuerakten an einen Untersuchungsausschuss zu unterlassen;
- der Anspruch einer Bank, anlässlich einer Außenprüfung gefertigte Notizen aus ihren Papieren nicht an andere FÄ weiterzuleiten;
- die Vollstreckung aus einem ausländischen Titel im Weg der Amtshilfe, der unter Missachtung elementarer Rechtsgrundsätze zustande gekommen ist (ordre public) und dadurch dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde. Hierunter fallen jedoch nicht österreichische Vollstreckungstitel, zumal wenn es der Schuldner unterlassen hat, dagegen in Österreich Rechtsmittel einzulegen.
Kein Anordnungsgrund soll hingegen zur Verhinderung einer Spontanauskunft an einen DBA-Staat gegeben sein, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein bestimmter Vorgang, der zu einem abkommensrechtlichen Besteuerungsrecht des DBA-Staats führt, dessen Behörden mitgeteilt wird, wenn ohne diese Auskunft die ausländische Behörde von dem Vorgang keine Kenntnis erhielte.
3.1.2 Regelungsanordnung
Rz. 6
Die Regelungsanordnung erfordert einen Anspruch auf Regelung eines einstweiligen Zustands zur Sicherung des Rechtsfriedens bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Die bloße Sicherung des bisherigen Rechtsstatus reicht hierfür nicht aus, weil darüber hinaus Rechte beansprucht werden.
Beispiele hierfür sind:
- Stundung der Steuernachforderung,
- Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung,
- Erteilung einer Steuernummer,
- Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das FA. Eine einstweilige Anordnung kommt aber nur in Betracht, wenn vorgetragen wird, dass dem FA ein Ermessensfehler unterlaufen sei,
- Zahlung von Kindergeld unmittelbar an das Kind, wenn streitig ist, ob der Kindergeldberechtigte seiner Unterhaltspflicht nachkommt.