5.4.2.1 Zulässigkeit der Anordnungen
Rz. 27
Die Anordnungen, die zur Sicherung des bestehenden Zustands oder zu dessen vorläufiger Regelung erforderlich sind, trifft das Gericht nach seinem freien Ermessen. Die Ermessensausübung unterliegt allerdings verschiedenen Beschränkungen:
- Das Gericht darf nicht über den Rahmen dessen hinausgehen, was der Antragsteller beantragt hat und was erforderlich ist, den Anspruch vorläufig zu sichern oder zu regeln. Davon abgesehen, ist es an die Anträge nicht gebunden.
- Die Anordnung muss geltendem Recht entsprechen. So darf einem Antragsteller im Hinblick auf seine wirtschaftliche Lage nicht im Weg der einstweiligen Anordnung die Freistellung von gesetzlich vorgesehenen Abgaben gewährt werden.
- Im Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorweggenommen werden. Beantragt ein Stpfl. den Erlass von Steuerschulden, so kann ihm dieser nicht im Weg der einstweiligen Anordnung gewährt werden, weil dies – wenn auch "vorläufig" – der Entscheidung in der Hauptsache vorgreifen würde. Vorläufiger Rechtsschutz kann in diesem Fall gewährt werden, indem dem FA untersagt wird, den Betrag einzuziehen. Ist eine Stundung beantragt worden, kann mit einer "einstweiligen Stundung" geholfen werden.
- Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung kann grundsätzlich nicht vorläufig erteilt werden. Denkbar wäre hier für den äußersten Härtefall, dass das Gericht die Erteilung einer kurzfristigen Unbedenklichkeitsbescheinigung anordnet. In diesem Fall wäre jedoch regelmäßig eine Sicherheitsleistung zu fordern. Das FA kann aber nicht verpflichtet werden, eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen, wenn der Antragsteller lediglich vorträgt, bei Versagen dieser Bescheinigung Wettbewerbsnachteile zu haben, ohne konkretere Angaben zu machen.
- Ob ein Bewerber durch einstweilige Anordnung zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden kann, wird vom BFH verneint. Zweifel äußert BVerfG v. 12.3.1999, 1 BvR 355/99, HFR 1999, 576, das die Verfassungsbeschwerde zwar aus anderen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen hat, aber in einer unzumutbaren Verzögerung der Berufszugangsprüfung eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG sieht.
5.4.2.2 Sicherheitsleistung
Rz. 28
Die einstweilige Anordnung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Von dieser Möglichkeit wird das Gericht Gebrauch machen, wenn zu befürchten ist, dass der Stpfl. bis zur Entscheidung in der Hauptsache vermögenslos sein wird.
Eine Sicherheitsleistung ist regelmäßig auch dann zu fordern, wenn – im Ausnahmefall – der Antragsteller nicht in der Lage ist, die behaupteten Tatsachen glaubhaft zu machen, die Entscheidung über die einstweilige Anordnung aber keinen Aufschub duldet, um drohende Nachteile zu verhindern.
5.4.2.3 Anordnung der Rechtsbehelfseinlegung in der Hauptsache
Rz. 29
Die einstweilige Anordnung kann schon erhoben werden, bevor der Antragsteller Klage in der Hauptsache erhoben hat. Sie ist sogar vor Einlegung des Einspruchs denkbar. Hier hat der Antragsgegner (die Finanzbehörde) die Möglichkeit, den Fortbestand der einstweiligen Anordnung von der Durchführung des Hauptsacheverfahrens abhängig zu machen. Auf seinen Antrag hat das Gericht anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat. Ist die vorhergehende Durchführung eines Einspruchsverfahrens erforderlich, muss eine Frist gesetzt werden, innerhalb derer der Rechtsbehelf einzulegen ist.
Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn die formellen Voraussetzungen vorliegen. Das Gericht hat nicht die Erfolgsaussichten der anzuordnenden Klageerhebung zu prüfen.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde anfechtbar, sofern diese zugelassen ist.
Kommt der Antragsteller der Auflage nicht nach, ist die einstweilige Anordnung auf Antrag durch Beschluss aufzuheben.