Rz. 39
Zur Revisionszulassung in Fällen schwerwiegender unzutreffender Rechtsanwendung (sog. qualifizierter Rechtsfehler) s. Dürr, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 115 FGO Rz. 44f. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist schlüssig und substanziiert zu belegen. Es muss substanziiert dargelegt werden, weshalb das FG-Urteil unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist. Allgemeine Ausführungen oder pauschale Behauptungen, das FG-Urteil sei grob fehlerhaft, genügen nicht. Im Wesentlichen ist aufzuzeigen,
- der Rechtsfehler, der dem FG-Urteil zugrunde liegt. Die Fehlentscheidung kann sich aufgrund eines materiellen, aber auch aufgrund eines Verfahrensmangels ergeben. Im letzteren Fall ist zugleich die Voraussetzung für die Revisionszulassung wegen Verfahrensmangels gegeben. Bei einer Abweichung von Entscheidungen anderer Gerichte (oder von Senaten desselben Gerichts) kann zugleich Divergenz (Rz. 33ff.) vorliegen.
- dass der Fehler so gravierend ist, dass ohne eine Korrektur durch den BFH das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rspr. oder in die Steuergerechtigkeit beschädigt ist. Die Schwere des dem FG unterlaufenen Fehlers ist konkret herauszustellen. Es ist z. B. im Einzelnen darzulegen, dass das FG-Urteil willkürlich ist und jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt bzw. dass die Entscheidung des FG unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Das kann vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat oder wenn das Urteil auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht.
- dass die Fehlerhaftigkeit – für einen Fachkundigen – offensichtlich (evident) ist. Das ist bei der erforderlichen Schwere des Mangels ohnehin der Fall.
- dass der Fehler im Revisionsverfahren korrigiert werden kann.
Rz. 40
In Betracht kommen insbesondere die Verletzung von Verfahrensrechten und das Recht auf willkürfreie Entscheidung. Die Rüge der (schlichten) Fehlerhaftigkeit allein, z. B. die fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen, reicht nicht aus. In der Rüge muss vielmehr die qualifizierte Fehlerhaftigkeit herausgestellt werden. Dazu reicht der Hinweis auf unterhalb dieser Schwelle liegende – wenn auch erhebliche – Fehler nicht. Das Gewicht des Fehlers muss darüber hinausgehen, um als greifbare Gesetzwidrigkeit zu erscheinen. Als unzutreffend behauptete Würdigungen und Wertungen des FG beinhalten keine greifbare Gesetzwidrigkeit oder Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze führt erst zu einer willkürlich falschen Rechtsanwendung, wenn die Folgerung offensichtlich realitätsfremd erscheint.
Es muss sich um Fehler im Klageverfahren handeln. Fehler, die im Verwaltungsverfahren aufgetreten sind, genügen nicht. Da solche Unzulänglichkeiten in der FG-Rspr. kaum auftreten dürften, kommt der Zulassung unter dem Gesichtspunkt schwerer Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils in der Praxis wenig Bedeutung zu. Eine Urteilsunrichtigkeit geringeren Grads kann indes die Zulassung unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprechungsdivergenz rechtfertigen.