6.1 Verfahren
Rz. 44
Der BFH entscheidet über die Nichtzulassungsbeschwerde in der Praxis ausschließlich ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss in Dreierbesetzung. Der Beschwerdegegner erhält Gelegenheit, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen. Ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, wird sie verworfen. Ist bei zweifelhafter Zulässigkeit die Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet, kann der BFH ausnahmsweise die Frage der Zulässigkeit unentschieden lassen und die Beschwerde als unbegründet zurückweisen. Bei teilbarem Streitgegenstand kommt eine beschränkte Zulassung in Betracht, wenn die Beschwerde nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstands zulässig und begründet ist.
Rz. 45
Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache kann auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erklärt werden.
Rz. 46
Im Rahmen der Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung des BFH darauf festzustellen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde einer der innerhalb der Beschwerdefrist den Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechend geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt. Deshalb kann keine Zulassung erfolgen, wenn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch eine BFH-Rspr. i. S. d. Auffassung des FG geklärt wurde; ebenfalls nicht, wenn sich der BFH aufgrund einer Änderung seiner Rspr. der Auffassung des FG angeschlossen hat und damit keine Divergenz und kein Bedürfnis für eine Entscheidung zur Sicherung der Rechtsprechungseinheit (mehr) vorliegen.
Rz. 47
Ausnahmsweise wird der BFH einer Nichtzulassungsbeschwerde auch dann stattgeben, wenn der Beschwerdeführer den Zulassungsgrund nicht oder nicht ordnungsgemäß geltend gemacht hat, z. B.
- wenn bei einer (unzutreffend) auf Sicherung der Rechtsprechungseinheit (Divergenz) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde in der Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (bzw. zur Rechtsfortbildung) aufgeworfen wird; denn die Divergenzrevision ist lediglich ein besonderer Fall der Grundsatzrevision. Wird – umgekehrt – die Nichtzulassungsbeschwerde (nur) auf grundsätzliche Bedeutung oder das Erfordernis der Rechtsfortbildung gestützt, kann dagegen die Revision nicht wegen einer tatsächlich bestehenden Divergenz zugelassen werden, da es an der Bezeichnung der Divergenzentscheidung als Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt.
- wenn mit der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung in Wirklichkeit die Sicherung der Rechtsprechungseinheit (Divergenz) geltend gemacht wurde bzw. wenn die grundsätzliche Bedeutung mit Divergenz begründet wird. Die divergierenden Rechtssätze sind hier entsprechend den Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenz (Rz. 23ff.) herauszuarbeiten.
- wenn bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde in einem anderen Verfahren (erstmals) eine BFH-Entscheidung (bzw. eine Entscheidung eines anderen Gerichts) ergeht oder bekannt wird, die dem FG-Urteil widerspricht, aber nunmehr die Rechtslage klärt (sog. nachträgliche Divergenz). Voraussetzung ist jedoch, dass die Nichtzulassungsbeschwerde den formellen Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bzw. der Rechtsfortbildung genügt. Dem Beschwerdeführer kann hier die unterlassene Divergenzrüge nicht entgegengehalten werden, da er die Divergenzentscheidung nicht kennen konnte. Nachträgliche Divergenz liegt nur dann vor, wenn die Sachverhalte des FG-Urteils und der nachträglichen Entscheidung vergleichbar sind. Ein Fall nachträglicher Divergenz liegt nicht vor, wenn die abweichende Entscheidung vor dem angefochtenen FG-Urteil ergangen ist.
- Entsprechendes muss gelten, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde (nur) auf eine (nicht gegebene) Divergenz von bisherigen Entscheidungen gestützt wird. Die nachträgliche Divergenz ist vom BFH hier von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Rüge muss aber auch hier den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Divergenzrüge entsprechen.
- Die Revision ist im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes auch zuzulassen, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage zwar nach Ergehen der vorinstanzlichen Entscheidung höchstrichterlich geklärt worden ist, die Revision aber aus anderen Gründen Aussicht auf Erfolg hätte. Denn der Beschwerdeführer kann bei einer Nichtzulassungsbeschwerde, die im Zeitpunkt ihrer Einlegung wegen erkennbarer Divergenz oder grundsätzlicher Bedeutung aussichtsreich ist, davon ausgehen, dass in seinem Revisionsverfahren über die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hinaus auch die in seinem individuellen Interesse stehenden Rechtsfragen des FG-Urteils einer Überprüfung durch das Revisionsgericht unterzogen werden. Diese verfahrensrechtliche Position darf dem Beschwerdeführer nicht dadurch entzogen werden, dass durch die für ihn nicht vorhersehbare Entscheidungsreihenfolge des Rechtsmittelgerichts die klärungsbedürftige Rechtsfrage in einem anderen Verfahren geklä...