3.3.1 Bezeichnung als Revision – Auslegung
Rz. 4
Unter Revision ist zum einen das Rechtsmittel selbst zu verstehen, zum anderen der Schriftsatz, mit dem Revision eingelegt wird, d. h. die Revisionsschrift; Abs. 3 erfasst demgegenüber nur die Revisionsschrift.
Die Verwendung des Wortes "Revision" in der Revisionsschrift ist nicht vorgeschrieben; anders in § 549 Abs. 1 Nr. 2 ZPO: ". die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde". Ausreichend ist eine Erklärung, die – eindeutig – dahin gehend ausgelegt werden kann, dass eine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen FG-Urteils durch den BFH erstrebt wird. Deshalb schaden falsche Bezeichnungen wie "Widerspruch" oder "Berufung" oder ein nicht näher bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils begehrt wird, grundsätzlich nicht. Eine solche Erklärung ist auslegungsfähig; hierbei ist der wirkliche Wille des Rechtsmittelführers zu ergründen.
Im Zweifel ist stets davon auszugehen, dass der Rechtsschutzsuchende das zutreffende Rechtsmittel gewählt hat. Die Auslegung findet ihre Grenze aber an dem ausdrücklichen Erklärungswert des Rechtsmittelschriftsatzes. Ist daher ein Rechtsmittel ausdrücklich als Revision bezeichnet und nach Ablauf der Revisionsfrist eine Revisionsbegründung eingereicht worden, an deren Ende zusätzlich die Zulassung der Revision beantragt wird, handelt es sich um eine Revision, nicht um eine Nichtzulassungsbeschwerde.
Rz. 5
Die Rspr. des BFH war bisher verhältnismäßig streng bei der Beurteilung der Frage, ob ein ausdrücklich als Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnetes Rechtsmittel in eine Revision umgedeutet werden kann und umgekehrt. Dies galt insbesondere dann, wenn das Rechtsmittel – wie aufgrund des Vertretungszwangs regelmäßig gegeben – von einem zugelassenen (und damit fachkundigen) Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Diese Rspr. erklärt sich vor dem Hintergrund, dass bis 2000 bei Geltendmachung bestimmter besonders schwerer Verfahrensmängel die zulassungsfreie Revision statthaft war, sodass in jedem Fall theoretisch nicht nur die Nichtzulassungsbeschwerde, sondern auch die zulassungsfreie Revision in Betracht kam. Hier erforderte die Klarheit der prozessualen Verhältnisse eine eindeutige Festlegung, ob Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde erhoben war.
Da nunmehr bei vom FG zugelassener Revision immer nur diese und bei nicht zugelassener Revision nur die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht kommt, sollte an dieser strengen Rspr. nicht mehr festgehalten werden. Bringt der Rechtsmittelführer hinreichend zum Ausdruck, dass er das FG-Urteil einer Prüfung durch den BFH unterziehen will, kann daher z. B. bei zugelassener Revision das Rechtsmittel auch dann als eine solche ausgelegt werden, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel versehentlich als Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnet hat und umgekehrt, ohne dass es einer – möglicherweise unzulässigen – Umdeutung bedarf. Das Rechtsmittel sollte dann zulässig sein, wenn es den Begründungsanforderungen genügt. Im Übrigen anerkennt der BFH gelegentlich auch bei sachkundigen Prozessbevollmächtigten, dass ihre prozessrechtlichen Willenserklärungen grundsätzlich einer Auslegung und damit auch einer Umdeutung zugänglich sind.
Der BFH hält allerdings an der bisherigen strengen Rspr. fest und lehnt die Umdeutung einer unzulässigen Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision und umgekehrt wegen der prozessualen Unterschiede der Verfahren und wegen der bei einem fachkundigen Vertreter vorauszusetzenden Kenntnis des Verfahrensrechts nach wie vor ab. Die Unterschiedlichkeit der Verfahren weist jedoch den Weg zu einer entsprechenden Auslegung oder Umdeutung. Werden z. B. mit einem als Nichtzulassungsbeschwerde bezeichneten Schriftsatz keine Zulassungsgründe geltend gemacht, sondern Revisionsgründe vorgetragen, zeigt dies, dass der Rechtsmittelführer in Wirklichkeit ein Revisionsverfahren und kein Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren durchführen will.
Die Revision muss tatsächlich eingelegt, nicht lediglich angekündigt werden. Es muss sichergestellt sein, dass dem BFH eine verbindliche Prozesserklärung zugeleitet wird. Ein als "Entwurf einer Revisionsschrift" bezeichnetes Schreiben ist daher nicht als Einlegung einer Revision anzusehen. Anders bei einer versehentlich eingelegten Revision, da Willensmängel bei Prozesshandlungen unbeachtlich sind.
Bei mehrfacher Revisionseinlegung gegen dasselbe Urteil, z. B. bei mehreren Bevollmächtigten durch jeden von ihnen, handelt es sich gleichwohl verfahrensrechtlich um nur eine Revision (das nämliche Rechtsmittel), über die einheitlich zu entscheiden ist. Ist eine Revisionseinlegung wirksam, kann die Wirksamkeit der anderen dahinstehen. Bestehen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit einer Revisionseinlegung, ist daher erneut Revision einzulegen.
Hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers Erfolg und wird das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in das Revisionsverfahren übergeleitet, ist eine Revisio...