Rz. 9
Mit der Neufassung des § 68 FGO ab 2001 wird nunmehr der neue bzw. geänderte Bescheid kraft Gesetzes, d. h. automatisch ohne Antragstellung, alleiniger Verfahrensgegenstand, und zwar auch im Revisionsverfahren. Es handelt sich um eine gesetzlich zugelassene Klageänderung. Das gilt auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird. Sowohl der ursprüngliche als auch der neue Bescheid müssen dieselben Beteiligten und denselben Streitgegenstand betreffen.
Der Zweck der Regelung geht dahin, dem Kläger nach Möglichkeit ein weiteres Rechtsbehelfsverfahren zu ersparen und zu verhindern, dass das FA den Stpfl. gegen seinen Willen aus dem Verfahren drängt. Das FA kann also nicht durch den Erlass eines neuen Bescheids den Kläger aus dem Klageverfahren hinausdrängen und gegen seinen Willen wieder in das Verwaltungsverfahren zurückversetzen. Die Regelung gilt auch für Ermessensverwaltungsakte. Sie gilt nicht nur für Anfechtungs-, sondern auch für Verpflichtungsklagen.
Ein gesondertes Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Änderungsbescheid ist nicht mehr möglich. Dies gilt auch bei einer mehrfachen Änderung des Bescheids. Dementsprechend hat der Kläger seinen Revisionsantrag entsprechend der geänderten Prozesslage dem Änderungsbescheid anzupassen, ggf. auch i. S. einer Erweiterung des bisherigen Klageantrags. Der BFH bejaht die Anpassung von Gerichts wegen. Eine Anpassung ist nicht erforderlich, wenn der neue Bescheid keinen Einfluss auf die Streitpunkte des Verfahrens hat bzw. die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt.
Rz. 10
Der BFH kann nur selbst entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Das ist der Fall, wenn der vom FG festgestellte Sachverhalt ausreicht, um abschließend zu beurteilen, ob der Änderungsbescheid rechtmäßig ist. Davon ist auszugehen, wenn sich durch die Bescheidänderungen hinsichtlich der im Revisionsverfahren streitigen Punkte keine Änderungen ergeben haben und der Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat. Anderenfalls muss er – trotz des Wortlauts "kann" – die Sache nach § 127 FGO an das FG zurückverweisen. Dem Revisionskläger steht insoweit kein Antragsrecht zu. Gleichwohl kann es zweckmäßig sein, den BFH darauf hinzuweisen, ob sich die Entscheidungsgrundlage geändert hat. Spruchreife fehlt, wenn der Kläger gegen den Änderungsbescheid neue Streitpunkte geltend macht und seinen Revisionsantrag entsprechend erweitert, sofern insoweit tatsächliche Feststellungen fehlen. Der Revisionskläger ist dadurch in seinem Recht geschützt, den Änderungsbescheid mit neuem tatsächlichem Vorbringen angreifen zu können.
Auch wenn der BFH der Revision nicht stattgibt, ist das FG-Urteil aufgrund des Änderungsbescheids aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Denn Gegenstand des FG-Verfahrens war der ursprüngliche Bescheid, an dessen Stelle während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid getreten ist. Mit Ergehen des Änderungsbescheids ist das vorinstanzliche Urteil, da es über einen nicht mehr existierenden Bescheid entschieden hat, gegenstandslos geworden. Es kann keinen Bestand haben und wird daher vom BFH aufgehoben. Allerdings sind damit die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht weggefallen. Sie bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung der BFH, sofern sie nicht einem Verfahrensmangel unterliegen. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO daran gebunden.
Rz. 11
Die Rechtswirkungen des § 68 FGO setzen voraus, dass die Revision statthaft und zulässig erhoben worden ist. Ferner muss die Klage zulässig erhoben worden sein. Ein Änderungsbescheid, der dem Revisionsantrag in vollem Umfang stattgibt und damit das Verfahren erledigt, kann nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens werden. Das anhängige Revisionsverfahren hinsichtlich des ursprünglichen Bescheids ist vielmehr wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Zur Vermeidung einer Verwerfung der Revision als unzulässig ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. Gibt der Änderungsbescheid dem Revisionsbegehren nur teilweise statt, ist, wenn kein Interesse an der Verfahrensfortsetzung besteht, die Sache für erledigt zu erklären oder die Revision zurückzunehmen.
Ergeht während des Rechtsmittelverfahrens ein Änderungsbescheid, sollten die Beteiligten dies unter Übersendung einer Kopie dem BFH mitteilen, um zu verhindern, dass der BFH über den ursprünglichen Verwaltungsakt entscheidet.
Rz. 12
§ 68 FGO gilt auch im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren, wenn während des Beschwerdeverfahrens ein Änderungsbescheid ergeht. Der im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren geänderte Bescheid wird entsprechend § 68 FGO, § 127 FGO ohne Antrag Gegenstand des Verfahrens. Das hat zur Folge, dass die Zulassungsgründe nach dem Änderungsbescheid – nicht nach dem ursprünglichen Bescheid – zu beurteilen sind. Erledigte Punkte können nicht mehr zur Revisionszulassung führen, da über sie im erstreb...