2.1 Subsidiarität
Rz. 6
Die Anhörungsrüge ist – als subsidiärer Rechtsbehelf – nur statthaft, wenn gegen die Entscheidung kein anderes Rechtsmittel oder kein anderer Rechtsbehelf zulässig ist. Daher ist z. B. im laufenden Revisionsverfahren eine Anhörungsrüge unstatthaft. Entscheidend ist, ob die betreffende Entscheidung ihrer Art nach unanfechtbar ist. Der Vorrang anderweitiger Rechtsbehelfsmöglichkeiten gilt daher auch dann, wenn der Beteiligte es versäumt hat, den an sich gegebenen Rechtsbehelf in zulässiger Weise – form- und fristgerecht – einzulegen. Eine Ausnahme muss allerdings gelten, wenn der Beteiligte – trotz zumutbarer Prüfung des Verfahrensablaufs – von dem Gehörsverstoß erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Kenntnis erlangen konnte.
2.2 Unanfechtbarkeit der Entscheidung
2.2.1 Urteile des FG
Rz. 7
Gegen das Urteil des FG ist die Revision zum BFH eröffnet, wenn sie vom FG oder vom BFH auf eine Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden ist. Hat das FG die Revision in seinem Urteil nicht zugelassen, ist gegen die Verweigerung der Revisionszulassung Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. In der Beschwerdebegründung bzw. in der Revisionsbegründung ist der Verfahrensverstoß (die Verletzung des rechtlichen Gehörs) substantiiert geltend zu machen. Wegen der Gewährung ausreichenden Rechtsschutzes über das Revisionsverfahren bzw. die vorgeschaltete Nichtzulassungsbeschwerde scheidet die Anhörungsrüge als subsidiärer Rechtsbehelf daher gegen Urteile des FG aus. Das gilt auch dann, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist.
Das bedeutet, dass auch in den Fällen, in denen dem FG ein offensichtliches Versehen (eine "Panne", z. B. wenn übersehen wurde, dass nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet wurde) unterlaufen ist, nicht eine "Reparatur" durch das FG auf eine Anhörungsrüge erfolgen kann, sondern der umständlichere Weg der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. der Revision eingeschlagen werden muss. Es besteht somit kein Wahlrecht, entweder Revision/Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen oder eine Anhörungsrüge zu erheben. Erhebt ein fachkundiger Prozessvertreter ausdrücklich eine (unstatthafte) Anhörungsrüge, kann diese nicht in das statthafte Rechtsmittel (Nichtzulassungsbeschwerde) umgedeutet werden.
Gegen Gerichtsbescheide des FG, in denen die Revision nicht zugelassen wurde, ist zunächst mündliche Verhandlung zu beantragen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft. Sie kann erst erhoben werden, wenn das FG auch in seinem auf die mündliche Verhandlung ergehenden Urteil die Revision wiederum nicht zulässt. Hat der Gerichtsbescheid die Revision zugelassen, steht auch diese zur Verfügung.
2.2.2 Beschlüsse des FG
Rz. 8
Beschlüsse des FG sind grundsätzlich mit der Beschwerde anfechtbar. Als nachrangiger Rechtsbehelf ist die Anhörungsrüge insoweit nicht gegeben (Abs. 1 S. 1 Nr. 1).
Nicht anfechtbare Beschlüsse des FG sind dagegen grundsätzlich mit der Anhörungsrüge anfechtbar. Ausgenommen sind lediglich die der Endentscheidung vorausgehenden Entscheidungen (Abs. 1 S. 2; Rz. 11). Die Anhörungsrüge ist daher z. B. statthaft gegen
- Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme,
- Beschlüsse im Prozesskostenhilfe-Verfahren,
- Ablehnungsgesuche zurückweisende Beschlüsse,
- Kostenbeschlüsse,
- Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung und über einstweilige Anordnungen,
da auch insoweit die Beschwerde ausgeschlossen ist.
Rz. 9
Beschlüsse des FG im vorläufigen Rechtsschutz-Verfahren sind nur dann mit der Beschwerde anfechtbar, wenn sie in dem Beschluss ausdrücklich und eindeutig zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde zuzulassen, wenn ein Zulassungsgrund i. S. v. § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist. Eine Zulassung durch den BFH ist nicht möglich. Die Zulassung kann – anders als die Zulassung der Revision – nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde erstritten werden.
Gegen Beschlüsse, in denen das FG die Beschwerde nicht ausdrücklich zugelassen hat, ist daher die Anhörungsrüge statthaft. Es handelt sich um Endentscheidungen i. S. v. Abs. 1 S. 2. Der Betroffene kann nicht auf das Abänderungsverfahren nach § 69 Abs. 6 FGO verwiesen werden.