2.1 Die Klagearten im System der FGO
Rz. 2
§ 40 Abs. 1 FGO eröffnet in seiner ersten Alternative den finanzgerichtlichen Rechtsschutz durch die verwaltungsaktbezogene Anfechtungsklage als Gestaltungsklage, die auf unmittelbare Schaffung, Beseitigung oder Änderung von Rechtspositionen durch Urteil gerichtet ist (Rz. 11). Unterfälle der Anfechtungsklage sind die sog. Aufhebungs- und die Abänderungsklage (Rz. 13). Die daneben genannte – ebenfalls verwaltungsaktbezogene – Verpflichtungsklage (Rz. 33) sowie die nichtverwaltungsaktbezogene allgemeine Leistungsklage (Rz. 40) sind Leistungsklagen, mit denen die Verurteilung des Beklagten zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen erstrebt wird. Die Anfechtungsklage ist im Zweifel gegenüber den Leistungsklagen vorrangig. Die Leistungsklage ist naturgemäß gegenüber der Verpflichtungsklage subsidiär, wenn dem angestrebten Realakt ein Verwaltungsakt vorauszugehen hat (Rz. 41).
Rz. 3
Während aufgrund einer Anfechtungsklage durch das entsprechende Urteil die Rechtslage zwischen der beklagten Finanzbehörde und dem Kläger im Erfolgsfall unmittelbar gestaltet wird und eine Vollstreckung des Urteils daher nicht mehr erforderlich ist, bedarf es bei den Leistungsklagen eines Umsetzungsakts durch die beklagte Finanzbehörde. In diesen Fällen wird die beklagte Finanzbehörde im Erfolgsfall lediglich verurteilt, die vom Kläger angestrebte Leistung zu erbringen, entweder in Form eines Verwaltungsakts oder durch schlichtes Verwaltungshandeln. Dennoch sind stattgebende Urteile aus einem Leistungsbegehren nach § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegen die öffentliche Hand vollstreckbar (Rz. 52).
Rz. 4
Eine nicht unerhebliche Bedeutung erlangt die Abgrenzung zwischen der Anfechtungsklage auf der einen Seite und der Verpflichtungs- sowie den sonstigen Leistungsklagen auf der anderen Seite im vorläufigen Rechtsschutz. Die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO ist das Gegenstück zur Anfechtungsklage und vermag den angefochtenen Verwaltungsakt vorübergehend zu suspendieren. Für die Verpflichtungs- und die allgemeine Leistungsklage steht demgegenüber die aus Sicht des Antragstellers ungünstigere einstweilige Anordnung nach § 114 AO zur Verfügung.
Rz. 5
Eine weitere besondere prozessuale Gestaltungsklage ist die sog. Wiederaufnahmeklage nach § 134 FGO i. V. m. §§ 578-591 ZPO.
Rz. 6
Daneben zielt die allgemeine Feststellungsklage in § 41 Abs. 1 1. Alt. FGO auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses und die Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 41 Abs. 1 2. Alt. FGO auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ab. Diese Feststellungsklagen sind ihrerseits gegenüber den Gestaltungs- und Leistungsklagen gem. § 41 Abs. 2 S. 1 FGO subsidiär.
Rz. 7
Nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO kommt darüber hinaus auch die sog. Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht, wenn sich nach Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage der angefochtene Verwaltungsakt vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt hat bzw. von der beklagten Finanzbehörde zurückgenommen wurde oder sie den begehrten Verwaltungsakt antragsgemäß erlassen hat.
Rz. 8
Die Sprungklage i. S. d. § 45 FGO und die Untätigkeitsklage i. S. d. § 46 FGO sind keine besonderen Klagearten, sondern regeln lediglich besondere Fälle, in denen die erfolglose Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens als an sich für die Zulässigkeit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erforderliche besondere Sachurteilsvoraussetzung i. S. d. § 44 FGO entbehrlich ist. Sie wirken sich daher auf die Bestimmung der richtigen Klageart nicht aus, sondern betreffen nur die Art und Weise der Klageerhebung.
Rz. 9
Sofern für eine wirksam erhobene Klage der Finanzrechtsweg nach § 33 FGO eröffnet ist und sich ausnahmsweise das klägerische Begehren in keine der vorgenannten Klagearten einordnen ließe, kann die Klage jedoch nicht allein deshalb als unzulässig abgewiesen werden. Denn Art. 19 Abs. 4 GG garantiert auch den Rechtsweg gegen Rechtsverletzungen durch die Finanzbehörden und erfordert daher eine Zuordnung zu einer vorgesehenen Klageart. Der allgemeinen Leistungsklage kommt dabei systematisch die Funktion einer Auffangklage zu.
2.2 Auslegung und Umdeutung
Rz. 10
Eine Klage i. S. d. § 40 Abs. 1 FGO liegt bereits dann vor, wenn das FG ersichtlich um gerichtlichen Rechtsschutz in Form eines Urteils/Gerichtsbescheids angerufen wird. Dies muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift ergeben. Dasselbe gilt auch für die Bestimmung der richtigen Klageart. Maßgebend ist allein das klägerische Begehren, so dass der in einer Prozesserklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln ist und daher nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks der Parteierklärungen zu haften ist. Das Gericht ist an die Fassung des Klagean...