3.1 Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage
Rz. 5
Nach § 44 Abs. 1 FGO ist "die Klage" nur zulässig, wenn ein Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder z. T. erfolglos geblieben ist. Die Vorschrift beschränkt damit ausdrücklich nur die Zulässigkeit einer Klage durch die Zwischenschaltung eines außergerichtlichen Vorverfahrens. Die Einschränkung des § 44 Abs. 1 FGO gilt deshalb nicht in gerichtlichen Verfahren über Anträge, also in den Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Vollziehung oder durch einstweilige Anordnung.
3.2 Vorbehalt der §§ 45 und 46 FGO – Unmittelbare Klage
Rz. 6
Das Vorverfahren ist nur "vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO" als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage erforderlich.
Rz. 7
§ 45 FGO bestimmt Fälle, in denen die Klage ohne Vorverfahren zulässig ist. Es sind dies die Sprungklage, die mit Zustimmung der Behörde und des Gerichts erfolgen kann und die Anfechtung der Anordnung eines dinglichen Arrests.
Rz. 8
Nach § 46 FGO ist die unmittelbare Erhebung einer Klage ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens bei Untätigkeit der Finanzbehörde im Einspruchsverfahren zulässig, wenn über den eingelegten Einspruch nicht binnen angemessener Frist entschieden wurde (Untätigkeitsklage).
3.3 Fälle, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist
Rz. 9
§ 44 Abs. 1 FGO verlangt das Vorverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage nur in "Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist". Die Vorschrift nimmt damit Bezug auf den 7. Teil der Abgabenordnung, der in den §§ 347 bis 368 AO das "Außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren" regelt und als einzigen (formellen) Rechtsbehelf den Einspruch vorsieht.
Andere Verfahren, in denen sich die Finanzbehörde (informell) mit der Sache auseinandersetzen muss, z. B. eine Dienst- oder Sachaufsichtsbeschwerde, können das Einspruchsverfahren als Vorverfahren nicht ersetzen.
Rz. 10
Wann der Einspruch als einziger außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, wird durch §§ 347 und 348 AO bestimmt. § 347 AO regelt die Statthaftigkeit des Einspruchs, während § 348 AO – neben anderen Vorschriften – bestimmt, wann ein Einspruch nicht statthaft ist.
Rz. 11
Der Einspruch ist nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO statthaft gegen Verwaltungsakte
- in Abgabenangelegenheiten, in denen die Abgabenordnung Anwendung findet, was den Angelegenheiten entspricht, für die nach § 33 FGO der Finanzrechtsweg eröffnet ist,
- in Verfahren zur Vollstreckung in anderen als den in § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollstrecken sind,
- in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, auf die die Abgabenordnung nach § 164a des Steuerberatungsgesetzes Anwendung findet sowie
- in anderen durch die Finanzbehörden verwalteten Angelegenheiten, soweit die Vorschriften über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe durch Gesetz für anwendbar erklärt worden sind oder erklärt werden.
Rz. 12
Der Einspruch ist nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO außerdem als Untätigkeitseinspruch statthaft, mit dem geltend gemacht wird, dass in den in § 347 Abs. 1 S. 1 AO genannten Angelegenheiten über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Auch in diesem Fall ist also vor Erhebung einer Klage notwendig ein Vorverfahren durchzuführen. Das FG kann eine ohne dieses Vorverfahren erhobene Klage nicht als Untätigkeitseinspruch an die Finanzbehörde zurückgeben. Bleibt die Behörde auf einen Untätigkeitseinspruch hin auch im Einspruchsverfahren weiterhin untätig, so ist nach § 348 Nr. 2 AO kein weiterer Untätigkeitseinspruch statthaft; vielmehr ist der gerichtliche Rechtsweg durch die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO eröffnet ("doppelte Untätigkeit").
Rz. 13
Der Einspruch ist nach § 347 Abs. 1 AO "gegen Verwaltungsakte" statthaft, also zur Anfechtung von Verwaltungsakten der Finanzbehörden, um deren Aufhebung oder Änderung zu erreichen und zur Verpflichtung der Finanzbehörde, einen abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt zu erlassen. Aus dieser Beschränkung der Statthaftigkeit des Einspruchs auf Verwaltungsakte folgt, dass auch die ganz oder teilweise erfolglose Durchführung eines vorherigen Vorverfahrens nur für die Zulässigkeit von solchen Klagen erforderlich ist, die sich gegen Verwaltungsakte richten. Das sind die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage und die an diese Klagen anknüpfende Fortsetzungsfeststellungsklage. Dagegen können die sonstige Leistungsklage und die Feststellungsklage ohne die ganz oder teilweise erfolglose Durchführung eines vorherigen Vorverfahrens erhoben werden.
Rz. 14
Im Straf- und Bußgeldverfahren sind die Vorschriften über das Einspruchsverfahren nach § 347 Abs. 3 AO nicht anwendbar, d. h. ein Einspruch ist in diesen Fällen "nicht gegeben". Die Möglich...