3.4.1 Gänzliches oder teilweises Erfolglosbleiben

 

Rz. 18

Die Klage ist nach § 44 Abs. 1 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren "ganz oder z. T. erfolglos geblieben ist". Erfolglos geblieben ist das Vorverfahren, wenn es im Hinblick auf den angefochtenen Verwaltungsakt und gegenüber dem oder der Klagenden durch eine Einspruchsentscheidung abgeschlossen und darin der Einspruch als außergerichtlicher Rechtsbehelf ganz oder teilweise als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen worden ist.[1]

[1] V. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 44 FGO Rz. 13; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 44 FGO Rz. 5.

3.4.1.1 Erfolgloser Abschluss des Vorverfahrens durch Einspruchsentscheidung

 

Rz. 19

§ 44 Abs. 1 FGO setzt den Abschluss des Einspruchsverfahrens durch die Behörde voraus. Dies gibt sich aus § 46 Abs. 1 FGO, nach dem ausnahmsweise die Klageerhebung "ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig" ist, zum anderen aus § 44 Abs. 2 FGO, der "die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf" als Gegenstand der Anfechtungsklage bestimmt.

 

Rz. 20

Der ganz oder teilweise erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens i. d. S. ist damit nur gegeben, wenn die Behörde nach §§ 366, 367 AO eine Einspruchsentscheidung erlassen hat.[1] Erst das Vorliegen der Einspruchsentscheidung eröffnet die Zulässigkeit der Klage.[2]

 

Rz. 21

Beendet dagegen der Stpfl. das Einspruchsverfahren durch die Rücknahme seines Einspruchs, ist die Klage nicht zulässig.

 

Rz. 22

Entspricht die Behörde dem Einspruchsbegehren des Stpfl. durch einen Abhilfebescheid vollständig und erlässt deshalb keine Einspruchsentscheidung, fehlt es an einem ganz oder teilweisen Erfolglosbleiben des Vorverfahrens. Der Stpfl. muss seine Einwendungen vielmehr in einem erneuten Einspruchsverfahren gegen den Vollabhilfebescheid vorbringen.[3] Etwas anderes gilt, wenn die Finanzbehörde dem Einspruch im Rahmen einer Einspruchsentscheidung in vollem Umfang abhilft. Ein erneuter Einspruch ist in diesem Fall nach § 348 Nr. 1 AO mit der Folge unstatthaft, dass der Stpfl. unmittelbar Klage erheben kann.[4]

 

Rz. 23

Das Vorverfahren ist auch erfolglos geblieben, soweit die Finanzbehörde nach § 367 Abs. 2a AO eine Teileinspruchsentscheidung erlässt.[5] Hiernach kann die Finanzbehörde vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Diese Regelung ermöglicht es, im Interesse einer zügigen Rechtsschutzgewährung umfangreiche und zeitaufwendige Einspruchsverfahren von einzelnen abtrennbaren und einfach zu entscheidenden Teilbereichen zu entlasten.

Die Teileinspruchsentscheidung ist ihrer Rechtsnatur nach eine endgültige formelle Einspruchsentscheidung, die vor der Schlusseinspruchsentscheidung, also vorweg, ergeht. Hierdurch wird über einen Teilkomplex aus mehreren Streitpunkten eines Rechtsschutzbegehrens endgültig entschieden. Der angefochtene Verwaltungsakt wird, sofern nicht fristgerecht ein Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO gestellt oder eine Klage erhoben wird, mit dem Teil-Regelungsinhalt der Entscheidung bestandskräftig. Die Teileinspruchsentscheidung kann also eine Teilbestandskraft des Verwaltungsakts zur Folge haben.

 

Rz. 24

Nach § 367 Abs. 2b AO kann die Finanzbehörde anhängige Einspruchsverfahren statt durch eine förmliche Einspruchsentscheidung im Einzelfall durch eine Allgemeinverfügung zurückweisen. Dieses Einspruchsverfahren muss nach § 367 Abs. 2b S. 1 AO als Streitpunkt eine Rechtsfrage betreffen, die in einem Musterprozess von EuGH, BVerfG oder BFH entschieden worden ist. Der Regelungsinhalt der Musterentscheidung muss nach § 367 Abs. 2a S. 1 AO zur Folge haben, dass der Einspruch insoweit als unbegründet zurückzuweisen wäre, ihm also nicht abgeholfen werden kann. Nach § 367 Abs. 2b S. 3 AO ist die Allgemeinverfügung im BStBl und auf den Internetseiten des BMF zu veröffentlichen. Damit gilt die Allgemeinverfügung den Betroffenen nach § 122 Abs. 3 S. 2 AO als öffentlich bekannt gegeben. Die Allgemeinverfügung gilt nach § 367 Abs. 2a S. 1 AO als Zurückweisung des Einspruchs. Sie ersetzt die normale Einspruchsentscheidung und schließt das Einspruchsverfahren i. S. v. § 44 Abs. 1 FGO ab.

 

Rz. 25

Das normale Einspruchsverfahren ist grundsätzlich nur dann abgeschlossen, wenn die Behörde eine hinsichtlich Form und Inhalt den Anforderungen des § 366 S. 1 AO genügende Entscheidung über den Einspruch getroffen hat. Die ausdrückliche Bezeichnung als Einspruchsentscheidung ist nicht erforderlich, wenn der Rechtscharakter als Entscheidung über den Einspruch aus dem Gesamtinhalt zweifelsfrei erkennbar wird.[6] Aus dem Schriftstück oder elektronischen Dokument nach § 87a Abs. 4 AO müssen sich deshalb zumindest die Verfahrensbeteiligten, die Bezeichnung des Verfahrensgegenstands, d. h. des angefochtenen Verwaltungsakts, der Entscheidungstenor und dessen Begründung ergeben.

 

Rz. 26

Die Einspruchsentscheidung wird mit der ordnungsgemäßen Bekanntgabe an die Beteiligten wirksam.[7] Für die Zulässigkeit der Klage kommt es aber nicht auf die rechtliche Wirksamkeit der Einspruchsentscheidung an, sondern das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch dann, wenn der Rechtsschein einer...

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