Rz. 50

§ 44 Abs. 2 FGO bestimmt als Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren den ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

 

Rz. 51

Die Regelung des § 44 Abs. 2 FGO bestimmt den förmlichen Verfahrensgegenstand ausdrücklich nur für die "Anfechtungsklage". Sie gilt aber über den Gesetzeswortlaut hinaus im gesamten Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 FGO und damit entsprechend auch für die Verpflichtungsklage.[1]

 

Rz. 52

Die Einspruchsentscheidung ist ein selbstständiger Verwaltungsakt.[2] Sie hat zunächst die verfahrensrechtliche Wirkung, dass sie das Einspruchsverfahren förmlich beendet.

Wenn durch die Einspruchsentscheidung der Einspruch nicht nach § 358 AO als unzulässig verworfen wird, hat die Einspruchsentscheidung zudem eine materiell-rechtliche Wirkung, indem sie eine Bestätigung oder Umgestaltung des Regelungsinhalts des angefochtenen Verwaltungsakts bewirkt. Die Umgestaltung des Regelungsinhalts erfolgt nur, soweit dies im Tenor der Einspruchsentscheidung ausdrücklich geregelt ist. Im Übrigen bleiben die Regelungen des angefochtenen Verwaltungsakts inhaltlich unverändert.[3] Durch die materielle Umgestaltung wird die Einspruchsentscheidung mit einem korrigierenden Verwaltungsakt vergleichbar. Die in ihr getroffene rechtliche Regelung hat auch gegenüber einem sonstigen Verwaltungsakt keine erhöhte Bestandskraft. Nach § 172 Abs. 1 S. 2 AO unterliegt der in der Form der Einspruchsentscheidung erlassene Verwaltungsakt den gleichen Regelungen über eine Korrektur, d. h. Aufhebung, Änderung, Berichtigung, Rücknahme oder Widerruf, wie andere Verwaltungsakte auch.

Die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bewirkt eine Heilung von Bekanntgabemängeln des mit dem Einspruch angefochtenen Verwaltungsakts.[4] Dies gilt aber nur, soweit mit der Einspruchsentscheidung der Einspruch nicht als unzulässig verworfen wird, sondern diese eine Sachentscheidung enthält.[5] Um die Heilungswirkung zu erreichen, muss der Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts allerdings vollständig und zweifelsfrei aus dem Inhalt der Einspruchsentscheidung erkennbar sein.[6]

 

Rz. 53

Die rechtliche Selbstständigkeit der Einspruchsentscheidung hat somit zur Folge, dass im Klageverfahren nunmehr zwei Verwaltungsakte vorhanden sind, die das Gericht bei der Sachentscheidung zu berücksichtigen hat. Um diese Situation für das Klageverfahren zu erfassen, bestimmt § 44 Abs. 2 FGO den ursprünglichen Verwaltungsakt zum alleinigen Verfahrensgegenstand. Dieser war auch Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

Für das Klageverfahren hat daher die Einspruchsentscheidung grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung.[7] Sie gilt durch die Regelung des § 44 Abs. 2 FGO nicht als selbstständiger Verwaltungsakt, sondern Erlass und Regelungsinhalt der Einspruchsentscheidung werden dem ursprünglichen Verwaltungsakt zugerechnet. Es entsteht für das finanzgerichtliche Klageverfahren grundsätzlich ein einheitlicher Regelungsverbund.[8] Die gerichtliche Sachentscheidungspflicht und -befugnis erstrecken sich auf den gesamten Regelungsinhalt beider Verwaltungsakte.

Diese Rechtswirkung des § 44 Abs. 2 FGO für das finanzgerichtliche Klageverfahren tritt kraft Gesetzes ein. Wird die Einspruchsentscheidung nach Klageerhebung erlassen, so setzt sich das Klageverfahren automatisch fort, wobei der angefochtene Verwaltungsakt nunmehr den Inhalt der Einspruchsentscheidung hat. Einer erneuten Klageerhebung bedarf es nicht[9], sie wäre unzulässig. Dies gilt auch, wenn eine infolge fehlerhafter Bekanntgabe unwirksame Einspruchsentscheidung nach Klageerhebung wirksam bekannt gegeben[10] oder eine Einspruchsentscheidung inhaltlich geändert wird.[11]

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