2.2.1 Anhängigkeit eines Einspruchsverfahrens
Rz. 15
Die Untätigkeitsklage setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 1 FGO voraus, dass ein Einspruch gegen einen erlassenen Verwaltungsakt bzw. ein Untätigkeitseinspruch eingelegt ist, wenn die Behörde über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts nicht entschieden hat (s. Rz. 4, 6; vgl. z. B. BFH v. 5.2.2003, VII B 268/02, BFH/NV 2003, 651; BFH v. 19.5.2004, III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655). Erst wenn die Behörde auch daraufhin untätig bleibt, ist der Weg für die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO eröffnet.
Die Einspruchseinlegung ist eine objektive Klagevoraussetzung, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. BFH v. 30.10.2003, VI B 83/03, BFH/NV 2004, 356; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 83: Zugangsvoraussetzung). Die Nachweispflicht für die Einlegung des Einspruchs trägt der Kläger (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 357 Rz. 7; Niedersächsisches FG v. 14.3.2001, 4 K 438/95, n. v.; BFH v. 30.6.2006, III B 193/04, BFH/NV 2006, 2101).
Der eingelegte Einspruch muss die Mindestvoraussetzungen des § 357 AO erfüllen und eindeutig ein Rechtsschutzersuchen sein (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 357 Rz. 27; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 83). Nicht erforderlich ist, dass die Behörde dieses Ersuchen als Einspruch erkannt und gewertet hat. Im Weg der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO kann also auch gerichtlich überprüft werden, ob der Einspruch eingelegt worden und dadurch ein Einspruchsverfahren anhängig geworden ist. Nicht erforderlich ist, dass der Einspruch zulässig ist (s. Rz. 34).
Das anhängige Einspruchsverfahren und die Untätigkeitsklage müssen denselben Verwaltungsakt als Verfahrensgegenstand haben (s. auch § 44 FGO Rz. 17). Kläger der Untätigkeitsklage kann nur der Einspruchsführer sein, also derjenige, der den unbeschiedenen Einspruch eingelegt hat.
Rz. 16
Das Einspruchsverfahren darf auch nicht durch Rücknahme bzw. Abhilfe und sonstige Erledigung ohne förmliche Einspruchsentscheidung abgeschlossen sein (s. § 44 FGO Rz. 15). Ist das Einspruchsverfahren ohne Einspruchsentscheidung abgeschlossen (z. B. durch vollständige Abhilfe; s. Dumke, in Schwarz, AO, § 367 Rz. 40, § 347 Rz. 76 für den Untätigkeitseinspruch) und demgemäß nicht mehr anhängig, so ist die Klage nach § 46 Abs. 1 FGO durch Prozessurteil als unzulässig zu verwerfen. Über den Regelungsinhalt des ehemals angefochtenen Verwaltungsakts darf eine Sachentscheidung nicht ergehen.
2.2.2 Nichtvorliegen einer Einspruchsentscheidung
Rz. 17
Die Untätigkeitsklage i. S. v. § 46 Abs. 1 FGO setzt ferner voraus, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung in den anhängigen Einspruchsverfahren sachlich nicht entschieden sein darf. Es darf also keine Entscheidung über den eingelegten Einspruch (s. Rz. 15) vorliegen, also keine Einspruchsentscheidung bekannt gegeben sein (s. § 44 FGO Rz. 19, 21; vgl. BFH v. 25.5.1973, VI B 95/72, BStBl II 1973, 665; BFH v. 27.4.2001, XI B 9/01, BFH/NV 2001, 1416; v. Beckerath, in Beermann/Gosch, AO, § 46 FGO Rz. 62). Das Fehlen einer Einspruchsentscheidung ist eine objektive Klagevoraussetzung, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat (s. entspr. Rz. 15). Lag im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Einspruchsentscheidung in dieser Sache vor, so handelt es sich nicht um eine Untätigkeitsklage i. S. v. § 46 Abs. 1 FGO, sondern um eine normale Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage. Die Rechtswirkung des § 44 Abs. 2 FGO tritt kraft Gesetzes ein, auch wenn der Kläger die Einspruchsentscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat oder zur Kenntnis nehmen konnte, diese z. B. erst nach Absendung der Klageschrift bekannt gegeben wurde (s. Rz. 31; § 44 FGO Rz. 16a). Der Kläger muss nur entsprechend dem Regelungsinhalt der Einspruchsentscheidung seinen Klageantrag modifizieren, wenn er die Klage nicht für erledigt erklärt oder zurücknimmt, sonst kann die Klagebefugnis entfallen sein (s. Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 91).
Andere Entscheidungen der Behörde, die das Einspruchsverfahren nicht abschließen (s. Rz. 16), wie z. B. die den angefochtenen Verwaltungsakt korrigierenden oder ersetzenden Verwaltungsakte, machen die Untätigkeitsklage nicht unzulässig (s. auch Rz. 35). Die Korrektur des angefochtenen Verwaltungsakts im Einspruchsverfahren und der automatische Eintritt des Korrekturbescheids in dieses Verfahren haben auch keinen Einfluss auf die finanzbehördliche Entscheidungsfrist (s. Rz. 20).
2.2.3 Angemessene Entscheidungsfrist
Rz. 18
Die Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 ist nur zulässig, wenn seit der E...