2.3.1 Allgemeines
Rz. 30a
Das Klageverfahren kann durch Rücknahme abgeschlossen werden. Die Rücknahme hindert nach § 72 Abs. 2 S. 1 FGO die erneute Klageerhebung nicht, da die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nicht fristgebunden ist (s. Rz. 13; vgl. FG Hamburg v. 5.10.1994, V 90/92, EFG 1995, 632; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 76). Wird aufgrund der nach Erhebung der Untätigkeitsklage erlassenen Einspruchsentscheidung (s. Rz. 31) die Untätigkeitsklage zurückgenommen, weil eine dieser Rechtslage nicht entsprechende unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt wurde, so ist die Rücknahme unwirksam.
Wird aufgrund der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung eine neue Klage erhoben und die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt, so kann die Erhebung der neuen Klage in einen Widerruf der Erledigungserklärung umgedeutet werden, sofern nicht die Finanzbehörde zuvor ihrerseits die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt hat. Für eine nachfolgende Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage fehlt wegen dieses fehlerhaften Vorgehens (s. Rz. 31a) nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
2.3.2 Erlass der Einspruchsentscheidung
Rz. 31
Die Erhebung der Untätigkeitsklage hindert die Behörde nicht, die Einspruchsentscheidung zu treffen (s. Vor § 1 FGO Rz. 17; vgl. BFH v. 30.1.1976, III R 61/74, BStBl II 1976, 428; BFH v. 17.5.1985, III R 213/82, BStBl II 1985, 521) und hiermit die Heilung von Verfahrensfehlern im Besteuerungsverfahren zu bewirken. Die Klageerhebung verhindert demgemäß nicht die Verböserung des angefochtenen Verwaltungsakts nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO (vgl. FG Baden-Württemberg v. 28.3.1990, V K 127/87, EFG 1991, 86; Steinhauff, in HHSp, AO, § 46 FGO Rz. 220).
Rz. 31a
Mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erledigt sich die Untätigkeitsklage nicht, es treten vielmehr die Rechtswirkungen des § 44 Abs. 2 FGO ein. Hierdurch wird der Einspruchsentscheidung für das finanzgerichtliche Klageverfahren die rechtliche Selbstständigkeit genommen, die sich aus dem Rechtscharakter als Verwaltungsakt ergibt (s. § 44 FGO Rz. 24). Die als Untätigkeitsklage begonnene Klage setzt sich kraft Gesetzes als normale Klage fort. Der materiell-rechtlichen Wirkung der Einspruchsentscheidung auf den Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts muss der Kläger durch entsprechende Prozesserklärungen oder durch Anpassung des Klageantrags Rechnung tragen. Wird nach Ergehen der Einspruchsentscheidung die ehemalige Untätigkeitsklage für erledigt erklärt, so ist eine danach erhobene Anfechtungsklage gegen den erlassenen Verwaltungsakt in der Form der Einspruchsentscheidung unzulässig (a. A. BFH v. 28.7.2006, VIII B 249/03, n. v., der allerdings die Beschränkung der Untätigkeitsklage allein auf die Untätigkeit – s. Rz. 12 – für zulässig erachtet). Wird die Einspruchsentscheidung von der Behörde wieder aufgehoben, lebt auch die Untätigkeitsklage wieder auf und damit die Sachentscheidungsvoraussetzung des Nichtvorliegens einer Einspruchsentscheidung (s. Rz. 17; vgl. BFH v. 29.6.1999, VII B 303/98, BFH/NV 1999, 1585; BFH v. 9.1.2001, II B 36/00, BFH/NV 2001, 800).
2.3.3 Erlass des Verwaltungsakts bei einem Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 S. 2 AO)
Rz. 32
Eine Besonderheit ergibt sich im Fall der sog. doppelten Untätigkeit, wenn die Behörde nach Erhebung der Untätigkeitsklage aufgrund des anhängigen Untätigkeitseinspruchs (s. Rz. 15) den beantragten Verwaltungsakt erlässt, wobei der Regelungsinhalt unerheblich ist, oder dessen Erlass ablehnt. Gegenstand dieses Einspruchsverfahrens ist hier die Untätigkeit der Finanzbehörde hinsichtlich des gestellten Antrags auf Erlass eines Verwaltungsakts (s. entspr. Rz. 7a; s. Dumke, in Schwarz, AO, Vor §§ 347–368 Rz. 43). Wird die Finanzbehörde aufgrund des "Untätigkeitseinspruchs" nun tätig und erlässt sie einen Verwaltungsakt, so hilft sie dem Einspruch vollen Umfangs ab. Das Einspruchsverfahren ist damit abgeschlossen, ohne dass es einer Einspruchsentscheidung bedarf (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 347 Rz. 76 m. w. N.). Hierbei ist es unerheblich, welchen Inhalt der erlassene Verwaltungsakt hat. Das Einspruchsverfahren setzt sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 365 Abs. 3 AO nicht gegen den nun erlassenen Verwaltungsakt fort, denn es ist mit dieser Einspruchsart kein Verwaltungsakt angefochten (s. Dumke, in Schwarz, AO, § 365 Rz. 9). Demgemäß muss nunmehr gegen den erlassenen Verwaltungsakt ein neuer Einspruch eingelegt werden. Hiergege...