2.3.4.1 Entscheidung über die Klage
Rz. 33
Das Vorliegen der besonderen Klagevoraussetzungen nach § 46 Abs. 1 FGO ist insgesamt Sachentscheidungsvoraussetzung für die Untätigkeitsklage (s. Rz. 11). Sind diese nicht erfüllt, so bleibt der Abschluss des finanzbehördlichen Einspruchsverfahrens erforderlich (§ 44 Abs. 1 FGO; s. Rz. 9) und die Klage ist damit unzulässig. Das FG kann die unzulässige Untätigkeitsklage sofort durch Prozessurteil verwerfen, regelmäßig hat für die verfrüht erhobene Untätigkeitsklage eine Aussetzung zu erfolgen (s. Rz. 36).
Rz. 34
Liegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen – u. U. nach fruchtlosem Ablauf der Aussetzungsfrist (s. Rz. 36) – vor, so entscheidet das FG über die Zulässigkeit und Begründetheit der Untätigkeitsklage.
Eine Sachentscheidung über den Verwaltungsakt darf das FG nur treffen, wenn der eingelegte Einspruch (s. Rz. 15) zulässig ist. Über die Untätigkeitsklage können fehlende Sachentscheidungsvoraussetzungen für den Einspruch nicht geheilt werden. Dies gilt insbesondere für die Wahrung der Einspruchsfrist.
Rz. 35
War der Einspruch zulässig, so entscheidet das Gericht über den Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsantrag. Gegenstand der Entscheidung ist der angefochtene Verwaltungsakt (s. Rz. 8), und zwar mit dem Inhalt, den er im Zeitpunkt der Klageerhebung hatte. Ist der Verwaltungsakt nach Einlegung des Einspruchs geändert oder ersetzt worden, so ist er auch Gegenstand der Untätigkeitsklage. Hierbei ist unerheblich, ob diese Änderung oder Ersetzung vor der Klageerhebung erfolgt, dann gilt § 365 Abs. 3 AO, oder nach der Klageerhebung, dann gilt § 68 FGO.
2.3.4.2 Aussetzung des Klageverfahrens
Rz. 36
Das FG kann bei der unzulässigen Klage (s. Rz. 33) das Klageverfahren durch Beschluss aussetzen . Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hierdurch kann das FG der jeweiligen prozessualen Situation Rechnung tragen und der Behörde die Möglichkeit einräumen, die ausstehende Einspruchsentscheidung (s. Rz. 31) bzw. den Verwaltungsakt (s. Rz. 32) zu erlassen. Es besteht aber keine Aussetzungspflicht.
Bei der Ermessensausübung, deren leitende Erwägungen in der Urteilsbegründung darzustellen sind (s. Rz. 38), ist zu beachten, dass die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage wegen der im Tatbestand des § 46 Abs. 1 S. 1 u. 2 FGO verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe, u. a. "in angemessener Frist" und "zureichender Grund" (s. Rz. 2), vom Kläger zumeist nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden kann und die verfrühte Klageerhebung nicht zu seinen Lasten gehen sollte. Unter Beachtung des durch Art. 19 Abs. 4 GG gesicherten Rechtsanspruchs auf zeitnahen Rechtsschutz (s. Rz. 1; Vor § 1 FGO Rz. 2) wird deshalb eine Aussetzung des Klageverfahrens als Korrektiv hierzu regelmäßig geboten sein. Die unzulässige Klage kann damit in die Zulässigkeit hineinwachsen (s. Rz. 20; Bedenken bei v. Groll, in Gräber, FGO § 46 Rz. 15).
Rz. 37
Die Aussetzung nach § 46 Abs. 1 S. 3 FGO darf nur befristet erfolgen, wobei diese Aussetzungsfrist allerdings verlängerbar ist. Bleibt die Behörde über die gesetzte Frist hinaus weiter untätig, obgleich eine Einspruchs- und Klagebegründung vorliegt, die eine Sachentscheidung ermöglicht, so wird die Untätigkeitsklage zulässig.
Rz. 38
Der Aussetzungsbeschluss ist mit der Beschwerde anfechtbar. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Aussetzung ist das Datum des Beschlusses. Der BFH überprüft die Ermessensausübung auf einen Missbrauch und Ermessensfehler hin. Die Beschwerde ist unbegründet, wenn die der Aussetzung zugrunde liegenden Erwägungen sachdienlich sind. Die regelmäßig gebotene (s. Rz. 36) Aussetzung aus Gründen der Prozessökonomie ist stets sachdienlich.
Nach Ablauf der Aussetzungsfrist (s. Rz. 37) besteht für die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses kein Rechtsschutzbedürfnis mehr und über die Rechtmäßigkeit kann auch nicht entsprechend § 100 Abs. 1 S. 4 FGO im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsverfahrens entschieden werden.