2.1 Nichtanhängigkeit einer Klage
Rz. 4
Der Klageverzicht kann nur für die nicht anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, deren Gegenstand ein Verwaltungsakt bzw. die Ablehnung eines Verwaltungsakts wäre, ausgesprochen werden. Einen Verzicht auf eine Verpflichtungsklage in Gestalt einer Untätigkeitsklage sowie eine Feststellungs- oder allgemeine Leistungsklage lässt § 50 FGO nicht zu. Die anhängige Klage kann nur nach § 72 FGO zurückgenommen werden.
2.2 Erlassener Verwaltungsakt
2.2.1 Grundsatz
Rz. 5
Nach § 50 Abs. 1 S. 1 FGO darf der Klageverzicht erst nach Erlass eines Verwaltungsakts, d. h. dessen Bekanntgabe, erfolgen. Daher kann der Verzichtende in Kenntnis der aus dem Verwaltungsakt resultierenden Rechtswirkungen entscheiden, ob er eines weiteren Rechtsschutzes bedarf. Die Einlegung des Einspruchs oder der Erlass einer Einspruchsentscheidung wird gesetzlich nicht vorausgesetzt. Die Vorschrift ermöglicht vielmehr auch den Verzicht auf die Sprungklage i. S. v. § 45 FGO. Der materielle Inhalt des bekannt gegebenen Verwaltungsakts ist für die Verzichtserklärung grundsätzlich ohne Bedeutung.
2.2.2 Steueranmeldungen (§ 50 Abs. 1 S. 2 FGO)
Rz. 6
Ausnahmsweise darf der Verzicht gem. § 50 Abs. 1 S. 2 FGO vor Erlass des Verwaltungsakts bei Abgabe einer Steueranmeldung erklärt werden. Hier ergibt sich ein Schutz vor Überraschungsentscheidungen der Finanzbehörde dadurch, dass der Klageverzicht ausschließlich unter der Bedingung erklärt werden darf, dass die Steuerfestsetzung nicht von der selbst errechneten Steuer abweicht. Wenn diese Bedingung fehlt, ist die Verzichtserklärung unwirksam. Die übrigen formellen und inhaltlichen Voraussetzungen des Klageverzichts müssen zudem erfüllt sein.
Weicht die Behörde von der Steueranmeldung ab, so ist der Klageverzicht nicht wirksam geworden. Nach Bekanntgabe der abweichenden Steuerfestsetzung kann der Stpfl. dann erneut über seinen weiteren Rechtsschutz entscheiden und ggf. auf den Einspruch oder auf die Klage verzichten.
2.3 Verzichtsbefugnis
Rz. 7
Der Klageverzicht enthält die Erklärung, dass kein individuelles Rechtsschutzbedürfnis besteht. Auf die Klage kann wirksam demgemäß nur derjenige verzichten, dem gegen den Verwaltungsakt die persönliche Klagebefugnis zustehen würde. Dies kann auch der Rechtsnachfolger des Adressaten des Verwaltungsakts sein.
2.4 Freiwilligkeit des Klageverzichts
Rz. 8
Die durch den Klageverzicht bewirkte Einschränkung des Rechtsschutzes ist nur zulässig, wenn der Verzichtsentschluss auf einer freien, unbeeinflussten Willensbildung beruht. Eine zur Unwirksamkeit des Klageverzichts führende unerlaubte Willensbeeinflussung des Verzichtenden ist nicht nur bei einer vorsätzlichen Täuschung oder Drohung seitens der Behörde, sondern auch dann gegeben, wenn seitens der Behörde dem Beteiligten für den Fall des Klageverzichts ein anderes Verhalten (z. B. ein Erlass oder die Nichteinleitung eines Strafverfahrens) in Aussicht gestellt oder auch nur eine unzutreffende Belehrung über die Rechtslage und die Erfolgsaussichten einer Klage erfolgt. Bereits die Möglichkeit einer unlauteren Beeinflussung des Stpfl. führt zur Unwirksamkeit des Klageverzichts. An das Verhalten der Behörde sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist hierbei nicht erforderlich, dass die Behörde sich der Beeinflussung bewusst ist.