Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 16
Zustellungsadressaten sind grundsätzlich die Beteiligten am Verfahren selbst. Bei fehlender Prozessfähigkeit des eigentlichen Verfahrensbeteiligten, bei Tätigkeit von gesetzlichen Vertretern und Bevollmächtigten, Vermögensverwaltern und Verfügungsberechtigten i. S. d. §§ 34, 35 AO können anstelle der eigentlichen Verfahrensbeteiligten andere Personen Zustellungsadressaten sein. Zustellungsadressat kann auch der Insolvenzverwalter sein. Wird allerdings ein an den Insolvenzschuldner als Beteiligten selbst zuzustellendes Schriftstück wegen der gegen ihn angeordneten Postsperre nicht ihm, sondern stattdessen dem Insolvenzverwalter zugestellt, so ist diese Zustellung unwirksam. Die Zustellung wird entgegen § 189 ZPO auch nicht durch einen tatsächlichen Zugang an den Beteiligten geheilt, wenn es um eine Ladungsfrist geht. Die ZPO sieht für die einzelnen Gruppen solcher mit dem Beteiligten nicht übereinstimmenden Adressaten unterschiedliche Zustellungsregeln vor, die nach der Verweisung des § 53 Abs. 2 FGO auf die ZPO auch für das finanzgerichtliche Verfahren gelten. Für das Rechtsmittelverfahren sehen §§ 122 Abs. 1 FGO (Beteiligter am Revisionsverfahren) und § 128 Abs. 1 FGO (Beteiligter am Beschwerdeverfahren) zusätzlich Beteiligte vor.
2.2.2.1 Gesetzliche Vertreter
Rz. 17
Nach § 170 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Zustellung für nicht prozessfähige Personen an ihre gesetzlichen Vertreter zu bewirken. Die Zustellung an eine nicht prozessfähige Person ist unwirksam.
Rz. 18
Die wirksame Entgegennahme von Zustellungen setzt unbeschränkte Geschäftsfähigkeit voraus. Diese richtet sich nach dem Zivilrecht, insbesondere nach dem BGB. Soweit ein Minderjähriger zur Führung bestimmter Geschäfte ermächtigt ist, ist er ebenfalls unbeschränkt prozessfähig. Insoweit sind die Zustellungen an den Minderjährigen zu bewirken. Eine Zustellung an einen nicht Geschäftsfähigen oder an einen beschränkt Geschäftsfähigen außerhalb der Ermächtigung nach §§ 112, 113 BGB ist unwirksam. Dieser Mangel kann jedoch möglicherweise nach § 189 ZPO geheilt werden (s. Rz. 70).
Rz. 19
Ist ein nicht unbeschränkt Geschäftsfähiger, also eine nicht prozessfähige Person, der Betroffene, so ist an den gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Bei mehreren gesetzlichen Vertretern reicht nach § 170 Abs. 3 ZPO die Zustellung an einen von ihnen aus. Auch ohne diese Regelung galt dies sowohl im Fall der Gesamtvertretung als auch für Eltern als gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen.
Rz. 20
Ist der Zustellungsadressat keine natürliche Person, genügt die Zustellung an den Leiter. Hierunter fallen die Zustellungen an Behörden, juristische Personen, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen wie Personenhandelsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Zweckvermögen. Ein Zusatz "z. Hd. des Leiters" bzw. früher "z. Hd. des Vorstehers" auf dem Schriftstück ist nicht erforderlich. Bei den juristischen Personen (einschließlich eingetragenem Verein), nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Zweckvermögen des Privatrechts sind als Leiter die gesetzlichen Vertreter bzw. Geschäftsführer und Vorstände zu verstehen. Im Gegensatz zu § 6 Abs. 2 S. 2 VwZG enthält § 170 ZPO keinen Hinweis, dass § 34 Abs. 2 AO unberührt bleibt. Bei der Zustellung an nichtrechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer scheidet daher eine Zustellung an die Mitglieder oder Gesellschafter aus.
Rz. 21
Auch bei mehreren Leitern von juristischen Personen, nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Zweckvermögen des Privatrechts reicht die Zustellung an einen von ihnen aus.
2.2.2.2 Rechtsgeschäftlich bestellte Bevollmächtigte
Rz. 22
§ 171 ZPO stellt die Zustellung an Bevollmächtigte neben den § 172 ZPO über die Zustellung an Prozessbevollmächtigte. Zugestellt werden kann daher auch an rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter, die nicht Prozessbevollmächtigte sind. Die beiden Fallgruppen sind daher ebenso wie die für sie geltenden Vorschriften zu unterscheiden, insbesondere bezieht sich § 171 ZPO nicht auf die Prozessbevollmächtigten.
Die Zustellung an den Bevollmächtigten setzt nach § 171 S. 2 ZPO die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht bei dem zustellenden Gericht voraus. Mit der Anzeige und Vorlage der Vollmacht kann die bevollmächtigte Person Adressat der Zustellung sein. In die Zustellungsurkunde ist gem. § 182 Abs. 2 Nr. 3 ZPO die Angabe aufzunehmen, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat. Nach § 173 ZPO kann die Zustellung an den rechtsgeschäftlichen Vertreter auch durch Aushändigung an Amtsstelle geschehen. Nach § 173 S. 2 ZPO ist ...