Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
3.1 Antrag
Rz. 36
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nach Abs. 1 nur auf Antrag gewährt. Ausnahmsweise lässt Abs. 2 S. 4 auch beim Fehlen eines Antrags eine Wiedereinsetzung zu, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist von 2 Wochen nachgeholt worden ist. Vom Gesetz wird unterstellt, dass der Betroffene in diesem Fall auch die Wiedereinsetzung wünscht. Die antragslose Gewährung der Wiedereinsetzung setzt wie die beantragte Wiedereinsetzung das Glaubhaftmachen der die Wiedereinsetzung begründenden, nicht offensichtlichen Tatsachen voraus (ebenso BFH v. 27.7.1988, I R 159/84, BFH/NV 1990, 8; vgl. Rz. 48).
3.1.1 Form und Inhalt des Antrags
Rz. 37
Der Antrag muss die Formvoraussetzungen der Rechtshandlung erfüllen, für die die Frist versäumt worden ist. Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass Wiedereinsetzung u. U. auch ganz ohne Antrag gewährt werden kann (vgl. Abs. 2 S. 4). Dies zeigt die hier anwendbare Regelung des § 236 ZPO mit dem Nebeneinander des Abs. 1 und des Abs. 2 S. 2 Hs. 2. Da die fristgebundenen Rechtshandlungen meist Schriftform erfordern, wie z. B. die Klage oder die Revision, muss der Antrag regelmäßig auch schriftlich erfolgen. Dabei muss der Antrag nicht ausdrücklich gestellt werden. Es reicht insbesondere beim offensichtlichen Fehlen eines Verschuldens, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass Wiedereinsetzung begehrt wird (Eyermann/Fröhler, VwGO, § 60 Rz. 20 m. w. N.). Sind sämtliche die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen aktenkundig und ergibt sich eindeutig aus den Angaben in der Rechtsmittelschrift die Verspätung des Rechtsmittels, dann muss angenommen werden, dass der Rechtsmittelführer die Wiedereinsetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels wünscht. Bringt dagegen der Betroffene erkennbar zum Ausdruck, dass er von der Einhaltung der Frist ausgeht, so kann ein stillschweigender Antrag auf Wiedereinsetzung nicht angenommen werden (BGH v. 11.3.1983, IX ZR 82/82, HFR 1984, 77; Koch, in Gräber, FGO, § 56 Rz. 39). Der innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zu stellende Antrag auf Wiedereinsetzung muss regelmäßig eine substanziierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen enthalten. Bei einem Berufen auf ein Büroversehen des Personals des Prozessbevollmächtigten muss auch dargelegt werden, dass kein Organisationsmangel gegeben ist.
Für den Wiedereinsetzungsantrag beim BFH ist wegen § 62a FGO die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bzw. für juristische Personen des öffentlichen Rechts eine Vertretung durch eine Person erforderlich, die die Befähigung zum Richteramt besitzt.
3.1.2 Antragsfrist
Rz. 38
Binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses muss der Antrag gestellt werden (Abs. 2 S. 1 Hs. 1). Ab 1.9.2004 ist durch Ergänzung des Abs. 2 S. 1 um einen Hs. 2 die Antragsfrist bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf 1 Monat verlängert worden. Der Wiedereinsetzung steht nicht entgegen, dass die Klage oder Revision im Zeitpunkt des Antrags innerhalb der Antragsfrist bereits wegen Fristablaufs als unzulässig verworfen worden war. Mangels besonderer gesetzlicher Zulassung ist eine Verlängerung der Antragsfrist nicht zulässig. Bei ihrer Versäumung kommt jedoch wiederum eine Wiedereinsetzung in Betracht. Da hier die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Antragsfrist Gegenstand ist, gilt die allgemeine Frist des Abs. 2 S. 1 Hs. 1 von 2 Wochen. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung müssen (z. B. das Fehlen eines Verschuldens) sich dabei auf die Versäumung der Antragsfrist richten. Auch hierfür sind bei Rechtsberatern organisatorische Vorkehrungen erforderlich. Wird dem Rechtsberater vom Gericht der Eingang eines von ihm eingelegten Rechtsbehelfs schriftlich unter Angabe des Eingangsdatums bestätigt, so hat er anhand dieser Bestätigung die Einhaltung der Rechtsbehelfsfrist zu überprüfen bzw. durch eine geeignete Kraft überprüfen zu lassen, um bei Feststellung der Fristüberschreitung rechtzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Wird dem Prozessbevollmächtigten bei der Übermittlung der Rechtsmittelschrift per Telefax deutlich, dass die letzte Seite dieser Schrift, die die Unterschrift trägt, erst nach 0 Uhr beim Empfangsgerät des Gerichts eingegangen sein kann, wird die Wiedereinsetzungsfrist von 2 Wochen bzw. einem Monat unmittelbar nach Fristablauf in Gang gesetzt.
Rz. 39
Die Frist von 2 Wochen bzw. 1 Monat beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Hindernis entfallen ist. Dieser Tag ist nicht mitzuzählen. Der der Benennung dieses Tages (z. B. Montag) entsprechende Tag der übernächsten Woche ist entsprechend § 188 Abs. 2 BGB der letzte Tag der Frist, es sei denn, er ist ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag. Entsprechendes gilt für die Monatsfrist des Abs. 2 S. 1 Hs. 2 mit der Bezifferung der T...