4.1 Verfahrensrechtliche Bedeutung
Rz. 17
Die FGO enthält im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen keine Regelung zur Beteiligtenfähigkeit. Die Beteiligung an einem finanzgerichtlichen Verfahren setzt diese jedoch begrifflich voraus. Beteiligtenfähig i. S. des § 57 FGO ist derjenige, der auf dem jeweiligen steuerrechtlichen Gebiet, das Gegenstand des Rechtsstreits ist, steuerrechtsfähig ist, d. h. Träger der jeweils in Streit stehenden formellen und materiellen steuerlichen Rechte und Pflichten sein kann. Beteiligtenfähig ist zudem derjenige, der als (vermeintlicher) Träger der steuerrechtlichen Pflichten von den Finanzbehörden tatsächlich in Anspruch genommen worden ist. Die Prüfung des FG beschränkt sich in diesem Fall gegebenfalls aber auf die Frage, ob der Kläger steuerrechtsfähig und der Bescheid zu Recht gegen ihn ergangen ist.
Rz. 18
Die Beteiligtenfähigkeit ist als notwendige Sachentscheidungsvoraussetzung (Prozessvoraussetzung) in jedem Stadium des Verfahrens auch ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu prüfen. Fehlt sie, ist das Verfahren unzulässig. Besteht Streit über das Vorliegen der Beteiligtenfähigkeit eines Beteiligten, kann darüber durch Zwischenurteil nach § 97 FGO (im Falle der Zulässigkeit der Klage) oder durch Endurteil (im Falle fehlender Beteiligtenfähigkeit) entschieden werden. Die Beteiligtenfähigkeit muss grundsätzlich zu Beginn des Verfahrens vorhanden sein. Die von einem Nichtbeteiligtenfähigen vorgenommenen Prozesshandlungen sind daher grundsätzlich unwirksam, können aber gegebenenfalls mit Wirkung für die Vergangenheit genehmigt werden, wenn der Beteiligte die zunächst fehlende Beteiligtenfähigkeit im Verlauf des Verfahrens erlangt.
Rz. 19
Von der Beteiligtenfähigkeit zu unterscheiden sind insbesondere die Prozessfähigkeit des Beteiligten, selbst die entsprechenden Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen zu können, sowie die Klagebefugnis, d. h. die Berechtigung, im eigenen Namen gerichtlichen Rechtsschutz für das in Streit stehende materielle Recht in Anspruch nehmen zu können.
4.2 Beteiligtenfähigkeit im Einzelnen
Rz. 20
Entscheidend für die Beteiligtenfähigkeit ist die Steuerrechtsfähigkeit im Hinblick auf das jeweils in Streit stehende Einzelsteuergesetz. Beginn und Ende der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit sind nicht notwendig zugleich auch Beginn und Ende der Steuerrechtsfähigkeit. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Beginn und Verlust der Steuerrechtsfähigkeit juristischer Personen und Personenvereinigungen.
4.2.1 Beteiligtenfähigkeit natürlicher Personen
Rz. 21
Bei natürlichen Personen beginnt die Beteiligtenfähigkeit grundsätzlich mit der Geburt und endet mit ihrem Tod oder oder im Falle der Insolvenz durch den Eintritt des Insolvenzverwalters in den Prozess. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über; dieser verdrängt den Schuldner bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens aus seiner Rechtsstellung.
4.2.2 Beteiligtenfähigkeit juristischer Personen des Zivilrechts
Rz. 22
Juristische Personen des Zivilrechts sind, soweit das Einzelsteuergesetz ihnen die Steuersubjektsfähigkeit zuweist, spätestens mit Erlangung der zivilrechtlichen Vollrechtsfähigkeit, d. h. mit der staatlichen Genehmigung, Verleihung oder Eintragung im jeweiligen staatlichen Register (z. B. Handelsregister, Vereinsregister), steuerrechtsfähig. Die Steuerrechtsfähigkeit kann aber auch bereits vor diesem Zeitpunkt gegeben sein. So beginnt z. B. die Körperschaftsteuerfähigkeit einer Personenvereinigung zum Zweck der Gründung einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung (Vorgesellschaft), wenn die Eintragung im Handelsregister später tatsächlich erfolgt. Eine Vorgesellschaft, die später nicht als GmbH eingetragen wird, ist dagegen nicht körperschaftsteuerpflichtig. Nimmt die Personenvereinigung bereits vor Abschluss des Gesellschaftsvertrags am wirtschaftlichen Verkehr teil, ist diese Vorgründungsgesellschaft steuerlich wie eine sonstige Personenvereinigung zu behandeln und weder mit der Vorgesellschaft noch mit der später entstehenden Kapitalgesellschaft identisch. Rechte und Verbindlichkeiten gehen deshalb nicht automatisch mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft und später mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft auf diese über. Die Gewerbesteuerfähigkeit einer Kapitalgesellschaft beginn...