3.3.1 Allgemeines
Rz. 11
Prozessfähig können nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 FGO auch natürliche Personen sein, die beschränkt geschäftsfähig sind. Dies sind nach § 106 BGB Minderjährige, die das 7., aber noch nicht das 18. (s. Rz. 10) Lebensjahr vollendet haben, die im Rahmen der §§ 107–113 BGB wirksam Rechtsgeschäfte tätigen können.
Diese beschränkt Geschäftsfähigen nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 FGO sind prozessfähig, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts als geschäftsfähig anerkannt sind. Gegenstand des Verfahrens ist das Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Steuerpflichtverhältnisses.
Rz. 12
Die partielle Prozessfähigkeit erfordert, dass aufgrund der gesetzlichen Regelung der beschränkt Geschäftsfähige allgemein befugt ist, seine steuerlichen Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Vornahme einzelner Rechtsgeschäfte nach §§ 107, 110 BGB führt nicht zur partiellen Prozessfähigkeit, da § 58 FGO nicht auf § 52 ZPO verweist.
Rz. 13
Wenn nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 FGO insoweit für das Verfahren eine partielle Prozessfähigkeit des beschränkt Geschäftsfähigen anzuerkennen ist (s. Rz. 14, 16), wird hierdurch die Rechtsstellung des gesetzlichen Vertreters eingeschränkt. Der gesetzliche Vertreter (s. Rz. 22) kann nicht für den beschränkt Geschäftsfähigen handeln, solange die Ermächtigung besteht (vgl. Heinrichs, in Palandt, BGB, § 112 Rz. 1). Seine Prozessfähigkeit ruht.
3.3.2 Gesetzliche Regelungen
Rz. 14
Nach § 112 BGB gilt der beschränkt Geschäftsfähige, der von seinem gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt worden ist, für solche Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, als unbeschränkt geschäftsfähig. Ausgenommen sind nur solche Rechtsgeschäfte, für die auch der Vertreter die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einholen müsste. Auch im gerichtlichen Verfahren ist der beschränkt Geschäftsfähige damit nicht nur Beteiligter (§ 57), sondern prozessfähig, soweit Gegenstand des Verfahrens die steuerlichen Angelegenheiten dieses Erwerbsgeschäfts sind. Der beschränkt Geschäftsfähige kann und muss, da insoweit der gesetzliche Vertreter nicht mehr prozessfähig ist (s. Rz. 13), Verfahrenshandlungen selbst vornehmen.
Die Ermächtigung nach § 112 BGB erstreckt sich nicht auf die Geschäftsführung einer GmbH.
Die Prozessfähigkeit bezieht sich aber nur auf die betrieblichen Steuern (z. B. USt, GewSt). Die Ermächtigung zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts begründet nicht die Prozessfähigkeit für den Bereich der persönlichen Steuern (ESt, VSt), da hier die Steuerpflicht nicht ausschließlich als Folge der geschäftlichen Betätigung gesehen werden kann, sondern sich aus persönlichen Bereichen resultierende Tatbestände steuerlich auswirken (s. entspr. für die Handlungsfähigkeit im Besteuerungsverfahren Dumke, in Schwarz, AO, § 79 Rz. 9 m. w. N.).
Rz. 15
Nach § 113 BGB ist der beschränkt Geschäftsfähige, den sein gesetzlicher Vertreter ermächtigt hat, "in Dienst oder Arbeit zu treten", für solche Rechtsgeschäfte als unbeschränkt geschäftsfähig anzusehen, "welche die Eingehung oder die Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen". Die partielle Geschäftsfähigkeit erstreckt sich nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach der im Zivilrecht vertretenen einhelligen Rechtsansicht nur auf die mit der Eingehung, Beendigung oder Erfüllung eines Dienst- oder Arbeitsvertrags (nicht eines Lehr- oder Ausbildungsvertrags) eindeutig zusammenhängenden verkehrsüblichen Geschäfte (vgl. z. B. Heinrichs, in Palandt, BGB, § 113 Rz. 4). Die steuerlichen Pflichten bzw. Ansprüche ergeben sich jedoch nicht unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis, sondern sind begründet in dem steuerlichen Pflichtverhältnis, für das das Arbeitsverhältnis – neben anderen – lediglich ein Tatbestandsmerkmal darstellt. Die LSt- bzw. ESt-Pflicht kann nicht ausschließlich als Folge der beruflichen Tätigkeit gesehen werden, hier werden auch außerhalb dieser Sphäre liegende Tatbestände (z. B. Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastung) berücksichtigt. Ein etwaiger Anspruch auf Erstattung zu viel einbehaltener LSt ist nicht identisch mit dem Anspruch auf Arbeitslohn. Mit dem Arbeitsverhältnis besteht zwar ein tatsächlicher, aber kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang, wie ihn § 113 BGB voraussetzt.
Bei dieser Auslegung des § 113 BGB kann eine partielle Prozessfähigkeit für die reine Arbeitnehmerveranlagung, also das die LSt betreffende Gerichtsverfahren, nicht angenommen werden (s. für die Handlungsfähigkeit im Besteuerungsverfahren Dumke, in Schwarz, AO, § 79 Rz. 9 m. w. N.; a. A. Drüen, in T/K, AO, § 58 FGO Rz. 14 m. w. N.).
Rz. 16
Auch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften kann die Prozessfähigkeit beschränkt Geschäf...