2.1 Allgemeines
Rz. 5
Für die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft ordnet § 59 FGO die sinngemäße Anwendung der §§ 59–63 ZPO an. Die Streitgenossenschaft führt zugleich auch zu einer objektiven Klagenhäufung (s. Rz. 1), sodass auch die Voraussetzungen des § 43 FGO erfüllt sein müssen (s. § 43 FGO Rz. 5ff.).
Die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft ist von Amts wegen zu prüfen. Die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft sind aber keine Sachentscheidungsvoraussetzungen für die gerichtliche Entscheidung, sondern das Gericht hat, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen, die Verfahren nach § 73 Abs. 1 FGO zu trennen und über jedes einzelne Verfahren gesondert zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Brandt, in Beermann/Gosch, AO, § 59 FGO Rz. 3; Spindler, in HHSp, AO, § 59 FGO Rz. 19; Tipke, in T/K, AO, § 59 FGO Rz. 5).
Rz. 6
Die "ursprüngliche" Streitgenossenschaft (s. Rz. 14) setzt nach § 59 ZPO formal voraus, dass mehrere Streitgenossen gemeinschaftlich klagen. Die Klagen müssen in einer einzigen Klageschrift (s. § 65 FGO Rz. 5) zusammengefasst und in dieser die Kläger (s. Rz. 4) gemeinsam bezeichnet werden (s. entspr. § 43 FGO Rz. 5; BFH v. 19.2.1991, VIII R 8/86, BFH/NV 1992, 175).
Rz. 7
Im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters (s. Vor § 1 FGO Rz. 2a), über das die Hauptbeteiligten nicht verfügen können (s. § 4 FGO Rz. 2), kommt eine Streitgenossenschaft nur in Betracht, wenn dasselbe Gericht sachlich und örtlich und innerhalb des Gerichts im Rahmen des Geschäftsverteilungsplans (s. § 4 FGO Rz. 10) derselbe Senat in derselben Besetzung für die Klagen zuständig ist (s. entspr. § 43 FGO Rz. 6; Brandt, in Beermann/Gosch, AO, § 59 FGO Rz. 14).
Rz. 8
Wird die Streitgenossenschaft durch die Verbindung mehrerer Einzelsachen durch das Gericht nach § 73 FGO begründet (s. Rz. 16), so ist im Hinblick auf das Steuergeheimnis Voraussetzung für die Verbindung, dass sämtliche Kläger an dem streitigen Steuerrechtsverhältnis oder dem Rechtsvorgang, durch den der Steuertatbestand verwirklicht wurde, beteiligt sind.
Rz. 9
Die Streitgenossenschaft kommt nur für dieselbe Klageart (s. Vor § 1 FGO Rz. 10) in Betracht (vgl. Hartmann, in Baumbach/L/A/H, ZPO, Vor § 59 Rz. 6; Koch, in Gräber, FGO, § 59 Rz. 5).
2.2 Einfache Streitgenossenschaft
Rz. 10
Entsprechend den §§ 59, 60 ZPO können mehrere beteiligtenfähige Kläger (s. § 57 FGO Rz. 9, 16) als einfache Streitgenossenschaft klagen und verklagt werden, wenn
- sie hinsichtlich des Verfahrensgegenstands in einer Rechtsgemeinschaft stehen. Die Art der Rechtsgemeinschaft ist hierbei unerheblich. Die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ist nicht davon abhängig, dass die Rechtsgemeinschaft selbst nicht steuerrechtsfähig ist (a. A. Spindler, in HHSp, AO, § 59 FGO Rz. 14). Dies ist keine Frage der Beteiligtenstellung der Gemeinschafter, sondern der Klagebefugnis (s. § 48 FGO Rz. 6). Die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft können auch mit dieser selbst Streitgenossen sein, nur die Klagebefugnis wird ggf. nach § 48 FGO eingeschränkt;
- sie aus demselben oder rechtlichen Grund, ohne dass eine Rechtsgemeinschaft vorliegt, berechtigt oder verpflichtet sind;
- gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen oder rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen dem Verfahrensgegenstand zugrunde liegen. Der Begriff der Gleichartigkeit ist weit auszulegen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 64 Rz. 4 m. w. N.; Spindler, in HHSp, AO, § 59 FGO Rz. 13). Hierbei muss zwischen den Ansprüchen allerdings ein innerer Zusammenhang bestehen, eine bloße sachliche Ähnlichkeit des Geschehensablaufs und wirtschaftlichen Hintergrunds reicht nicht.
Gleichartige und damit die Streitgenossenschaft rechtfertigende Verpflichtungen i. d. S. liegen vor, wenn sich zwei Stpfl. gegen GrESt-Bescheide nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wenden, nachdem sie nacheinander jeweils die Anteile an einer das Grundstück besitzenden Gesellschaft erworben haben.
Rz. 11
Eine einfache Streitgenossenschaft liegt vor bei Gesamtschuldnern (s. entspr. § 60 FGO Rz. 24) z. B.:
- zusammenveranlagte Ehegatten: BFH v. 8.2.1990, IX B 236/88, BFH/NV 1990, 722; BFH v. 14.6.1994, VIII R 79/93, BFH/NV 1995, 225;
- Erwerber von Miteigentumsanteilen: BFH v. 9.11.1983, II R 157/81, BStBl II 1984, 204;
- gemeinsame Haftungsschuldner: FG Düsseldorf v. 29.1.1999, 7 Ko 6835/98 GK, EFG 1999, 583.
2.3 Notwendige Streitgenossenschaft
Rz. 12
Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt vor, wenn
- das die Streitgenossenschaft rechtfertigende Rechtsverhältnis (s. Rz. 10) allen Streitgenossen gegenüber aus prozessualen Gründen nur einheitlich festgestellt werden kann. Hier könnten zwar die einzelnen Streitgenossen jeweils einzeln Klage erheben, die Entscheidung muss aber wegen der Einheitlichkeit des Verfahrensgegenstands einheitlich ausfallen, damit die Rechtskraft gegen alle Streitgenos...