4.2.1 Begriff
Rz. 35
Eine Änderung i. S. v. § 68 FGO setzt zunächst voraus, dass durch den Verwaltungsakt eine eigenständige und neue Regelung getroffen wird (s. Rz. 38). Sie liegt vor, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt als Verfahrensgegenstand zwar rechtlich latent vorhanden bleibt, aber durch einen neuen, rechtlich selbstständigen Verwaltungsakt einen modifizierten Regelungsinhalt bekommt (s. Rz. 6). Hierbei ist es unerheblich, auf welcher Rechtsnorm die Änderung beruht (s. Rz. 34) und ob z. B. die Steuer herauf- oder herabgesetzt wird. Dies wirkt sich nur auf den Inhalt des zu stellenden Klageantrags aus (s. Rz. 14).
4.2.2 Beispiele
Rz. 36
§ 68 FGO ist demzufolge anwendbar bei folgenden "ändernden" Verwaltungsakten:
- Änderung von Steuerbescheiden, die gem. § 164 Abs. 2 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Hierbei ist es unerheblich, ob in dem Änderungsbescheid der Nachprüfungsvorbehalt bestehen bleibt oder aufgehoben wird. Auch die nachträgliche Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts oder eines Vorläufigkeitsvermerks wäre eine Änderung i. S. v. § 68 FGO (s. Frotscher, in Schwarz, AO, § 165 AO Rz. 26ff.; BFH v. 17.9.1997, X R 87/94, BFH/NV 1998, 560; BFH v. 11.11.2008, V B 2/08, BFH/NV 2009, 401).
- Änderung von Steuerbescheiden, die gem. § 165 Abs. 2 AO einen Vorläufigkeitsvermerk enthalten. Auch ein Bescheid, durch den ein Steuerbescheid nachträglich für vorläufig erklärt wird, ist ein Änderungsbescheid i. S. v. § 68 FGO (FG Rheinland-Pfalz v. 4.2.1991, 5 K 2037/90, EFG 1991, 485; BFH v. 9.8.1991, III R 41/88, BStBl II 1992, 219; Niedersächsisches FG v. 20.10.1992, VIII (II) 147/89, EFG 1993, 457; a. A. FG Rheinland-Pfalz v. 9.2.1990, 2 K 1076/89, EFG 1991, 269; FG Hamburg v. 11.4.1997, V 26/91, EFG 1998, 263).
- Änderungen gem. §§ 172–175 AO .
- Änderungen der Zerlegung und Zuteilung gem. §§ 189, 190 AO.
- Änderungen der Aufteilung gem. § 280 AO.
- Änderungen gem. § 35b GewStG .
Rz. 36a
Auch der im Klageverfahren erlassene Abhilfebescheid ist eine Änderung i. d. S.. Erfolgt die Abhilfe durch ersatzlose vollständige Aufhebung, Rücknahme oder Widerruf, so ist das Klageverfahren erledigt. Bei einer inhaltlichen "Teilabhilfe" gilt § 68 FGO. Bei einer inhaltlichen "Vollabhilfe" fehlt für eine Fortsetzung des Klageverfahrens gegen den "neuen Verwaltungsakt" das Rechtsschutzbedürfnis (s. Rz. 14).
Rz. 37
Als inhaltliche Änderung i. S. d. Bestimmung ist auch die Berichtigung nach § 129 AO anzusehen. Dies gilt ebenso für den "Richtigstellungsbescheid" nach § 182 Abs. 3 AO.
Rz. 38
Die Wiederholung des Regelungsinhalts des "Erstbescheids", ohne dessen inhaltliche Modifizierung, ist nur dann eine Änderung i. d. S., wenn diese Wiederholung als selbstständiger Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Nur dann werden die Rechtswirkungen des "Erstbescheids" suspendiert, ansonsten hat die Maßnahme nur die Funktion eines Hinweises auf eine bestehende Regelung.
Rz. 39
Eine Änderung i. S. v. § 68 FGO liegt demgegenüber nicht vor:
- bei einer Teilrücknahme bzw. einem Teilwiderruf nach §§ 130, 131 AO . Anders als bei einer Änderung i. S. d. §§ 172–175 AO werden die Rechtswirkungen des ursprünglichen Verwaltungsakts nicht suspendiert (s. Rz. 6), sondern bleiben gem. § 124 Abs. 2 AO in eingeschränktem Umfang bestehen. Der Rechtsstreit gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt ist also weiterhin anhängig, ohne dass es der Rechtswirkung des § 68 FGO bedarf. Wird allerdings der ursprüngliche Verwaltungsakt vollständig zurückgenommen oder widerrufen und durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt, so folgt die Fortführung des Rechtsstreits aus § 68 FGO (s. Rz. 42, 45). Bei einer vollständigen Rücknahme bzw. Widerruf und Erlass eines neuen Haftungsbescheids kommt eine Ersetzung und damit die Anwendung des § 68 FGO in Betracht (s. Rz. 45).
- wenn ein Ergänzungsbescheid gem. § 179 Abs. 3 AO erlassen wird, da die Nachholung den Regelungsinhalt des bereits erlassenen Bescheids nicht berührt.
- bei der aufgrund der finanzgerichtlichen Anordnung von der Finanzbehörde vorgenommenen Betragsberechnung gem. § 100 Abs. 2 FGO . Diese ist zunächst nach § 100 Abs. 2 S. 3 FGO eine formlose Berechnung des Betrags ohne Verwaltungsaktscharakter, nach Rechtskraft des Urteils erlässt die Finanzbehörde erst den ändernden Verwaltungsakt, der (s. § 100 FGO Rz. 80), da eine Klage nicht mehr anhängig ist, nur mit dem Einspruch anfechtbar ist (s. auch § 100 FGO Rz. 90; BFH v. 12.2.1992, II R 16/91, BFH/NV 1993, 126; Rößler, DStZ 1989, 572; v. Groll, in Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 68 Rz. 30; Wassermeyer, DStR 1985, 76; s. auch Martin, DStR 1990, 337; Martin, BB 1990, 1410).