4.3.1 Grundlage
Rz. 40
Wird der angefochtene Verwaltungsakt durch die Finanzbehörde im Verlauf des Klageverfahrens vollständig zurückgenommen , widerrufen oder aufgehoben , so verliert er gem. § 124 Abs. 2 AO seine rechtsverbindliche Wirkung. Der Verfahrensgegenstand ist damit beseitigt worden. Das Verfahren ist inhaltlich abgeschlossen. Hier greift nun die Regelung des § 68 FGO ein, wonach ein später erlassener Verwaltungsakt, soweit er den vollständig aufgehobenen, zurückgenommenen oder widerrufenen Verwaltungsakt inhaltlich ersetzt, Gegenstand des gegen den ersetzten Verwaltungsakt anhängigen Klageverfahrens wird.
Rz. 41
Der Begriff der "Ersetzung" wird im Übrigen in der FGO und der AO nicht verwendet. Er findet sich jedoch in § 365 Abs. 3 AO, der insoweit dem § 68 FGO nachgebildet ist. Die Bestimmung seines Inhalts hat unter Berücksichtigung des Zwecks des § 68 FGO zu erfolgen, dem Kläger ein erneutes Einspruchsverfahren und eine Klage zu ersparen (s. Rz. 3). Der Begriff der Ersetzung ist weit auszulegen (BFH v. 9.9.1986, VIII R 198/84, BStBl II 1987, 28; s. auch Rz. 34).
4.3.2 Begriff
Rz. 42
Eine Ersetzung i. d. S. liegt demgemäß vor, wenn die Finanzbehörde den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt vollständig aufhebt, zurücknimmt oder widerruft und gleichzeitig oder später anstelle des außer Kraft gesetzten Verwaltungsakts einen neuen Verwaltungsakt erlässt, der den rechtlichen Regelungsinhalt des vorherigen Verwaltungsakts ohne inhaltliche Modifizierung wiederholt oder diesem, abgesehen von einer inhaltlichen Modifizierung, entspricht . § 68 FGO setzt lediglich voraus, das der ursprüngliche Verwaltungsakt seine Wirkung verliert und dass sowohl Beteiligter als auch Besteuerungsgegenstand hinsichtlich beider Verwaltungsakte identisch sind. Die Wiederholung des Regelungsinhalts ist nur dann eine Ersetzung i. d. S., wenn eine neue eigenständige Regelung getroffen wird (s. entspr. Rz. 38b; vgl. BFH v. 6.8.1996, VII R 77/95, BStBl II 1997, 79).
Rz. 43
Gleiches gilt, wenn ohne ausdrückliche Rücknahme, Aufhebung oder Widerruf durch einen neuen Verwaltungsakt eine inhaltliche "Erledigung" des Klageverfahrens eintritt (vgl. BFH v. 9.9.1986, VIII R 198/84, BStBl II 1987, 2327 für die Ersetzung von Vorauszahlungsbescheiden – s. Rz. 45; vgl. FG Köln v. 12.6.1986, V K 156/86, EFG 1986, 570 für die Endgültigkeitserklärung vorläufiger Bescheide – s. Rz. 45).
Da es nur darauf ankommt, dass eine Klage erhoben ist (s. Rz. 28), liegt eine Ersetzung auch vor, wenn ein wirksamer Verwaltungsakt an die Stelle eines unwirksamen oder nichtigen Verwaltungsakts tritt.
Rz. 44
Eine Ersetzung i. S. v. § 68 FGO liegt demgegenüber nicht vor, wenn der neue Verwaltungsakt einen gegenüber dem vorherigen Verwaltungsakt völlig anderen Regelungsinhalt hat (s. Rz. 34) oder kein sachlicher Zusammenhang besteht, es sich nicht um "dieselbe Steuersache" handelt (s. Rz. 34; vgl. BFH v. 9.3.1999, VIII B 76/98, BFH/NV 1999, 1058 für das Verfahren hinsichtlich von Säumniszuschlägen und das eigentliche Steuerverfahren; BFH v. 27.4.2004, X R 28/02, BFH/NV 2004, 1287). Es muss zumindest eine teilweise Identität der Regelungsbereiche beider Verwaltungsakte gegeben sein. Wesentliche Unterschiede, die die Annahme einer Ersetzung ausschließen, wären i. d. S. regelmäßig z. B. verschiedene Steuerrechtssubjekte, verschiedene Steuerarten, verschiedene Zeiträume und verschiedene Lebenssachverhalte.
4.3.3 Beispiele
Rz. 45
Ersetzung angenommen:
- Aufhebung eines Verwaltungsakts mit zwei Steuerfestsetzungen und Wiederholung mit nur einer Steuerfestsetzung;
- Aufhebung einer Prüfungsanordnung und Erlass einer neuen Prüfungsanordnung für dieselben Steuerarten und Zeiträume mit anderem Prüfer;
- Aufhebung eines Haftungsbescheids aus formellen Gründen und Erlass eines neuen Haftungsbescheids wegen desselben Tatbestands (s. Rz. 44; vgl. BFH v. 24.7.1984, VII R 122/80, BStBl II 1984, 791; BFH v. 26.11.1986, I R 256/83, BFH/NV 1988, 82; BFH v. 6.8.1996, VII R 77/95, BFH/NV 1997, 25; jedenfalls bei Anwendung derselben Haftungsnorm FG Köln v. 3.2.1987, 5 K 55/82, EFG 1987, 365, nicht jedoch, wenn wegen desselben Sachverhalts aufgrund einer anderen Haftungsnorm ein anderer bzw. zusätzl...