3.1 Verweisung wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit
Rz. 25
Für die Verweisung wegen örtlicher, oder sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts der Finanzgerichtsbarkeit gelten die Ausführungen zur Rechtswegverweisung (Rz. 8–19) über den ausdrücklichen Verweis in § 70 S. 1 FGO entsprechend. Hierüber gelten die Vorschriften sowohl im Klageverfahren als auch im Antragsverfahren; dabei folgt die sachliche Zuständigkeit für selbständige Nebenverfahren der Zuständigkeit für die Hauptsache. Eine formlose Zuleitung der Streitsache durch das unzuständige Gericht, d. h. ohne Verweisungsbeschluss, ist nicht ausreichend und führt dazu, dass das Verfahren an das abgebende Gericht zurückzuleiten ist.
Verweisungsbeschlüsse nach § 70 S. 1 FGO wegen örtlicher oder sachlicher/funktioneller Unzuständigkeit sind – im Gegensatz zu den Rechtswegverweisungen – gem. § 70 S. 2 FGO unanfechtbar. § 70 Satz 2 FGO ist hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit eine Spezialregelung für das finanzgerichtliche Verfahren, so dass § 155 FGO i. V. m. § 17a Abs. 4 S. 3ff. GVG insoweit nicht zum Zuge kommen. Auf den Sonderfall der Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den BFH gem. § 39 FGO sei hingewiesen.
Der Entscheidungstenor könnte wie folgt lauten:
"Das Finanzgericht [...] ist örtlich/sachlich unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das [zuständige Gericht] verwiesen. [Die Beschwerde wird zugelassen]."
Rz. 26
Für die "Verweisung" innerhalb des jeweiligen Gerichts aufgrund der gerichtsinternen Geschäftsverteilung gelten weder die Vorschriften der §§ 17 bis 17b GVG noch finden diese Vorschriften über § 70 S. 1 FGO Anwendung. Insoweit wird ein Rechtsstreit auch nicht an einen anderen Senat desselben FG verwiesen, sondern die Sache wird von einem zum anderen Senat des FG durch formlose Abgabe ohne Anhörung der Beteiligten und ohne Beschwerdemöglichkeit vollzogen. Entsprechende Verweisungsbeschlüsse sind zumindest überflüssig, können nicht angefochten werden und entfalten auch keine Bindungswirkung.
Eine Ausnahme bilden die Fälle, in denen ein Gericht für besondere Sachfragen i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 FGO oder ein FG für mehrere Länder nach § 3 Abs. 2 FGO errichtet wurde.
Die Vorschrift gilt auch nicht für die Übertragung des Rechtsstreits vom Senat auf den Einzelrichter nach § 6 FGO.
3.2 (Eingeschränkte) Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses
Rz. 27
Ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss des FG wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit ist – wie die Rechtswegverweisung – für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, gem. § 70 S. 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 2 S. 3 GVG bindend. Das gilt auch, wenn der Verweisungsbeschluss von einem örtlich unzuständigen FG getroffen worden ist. Damit soll nach allgemeiner Auffassung im Interesse der Prozessökonomie sichergestellt werden, dass die Entscheidung des Rechtsstreits nicht durch Zuständigkeitsstreitigkeiten innerhalb derselben Gerichtsbarkeit unnötig verzögert wird. Der Grundsatz der Bindungswirkung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen zu den Rz. 11–17 verwiesen. Hält das FG, an welches der Rechtsstreit verwiesen worden ist, den Verweisungsbeschluss aus einem der in diesen Rz. genannten Gründe nicht für bindend, sollte es den Rechtsstreit allerdings nicht einfach zurückverweisen, denn der Rechtsstreit ist mit Eingang der Akten bei ihm und damit nicht mehr beim verweisenden Gericht anhängig (Rz. 23). Das FG, an welches der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hat sich vielmehr – nach Anhörung der Parteien – ebenfalls für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit gem. § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO dem BFH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorlegen.
Rz. 28
Der Umfang der Bindungswirkung einer entsprechenden Verweisungsentscheidung ist hingegen bisher nicht abschließend geklärt.
Nach überwiegender Auffassung folgt zutreffend aus der beschränkten Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG im Falle der Rechtswegverweisung (Rz. 12), dass...