5.1 Verfahrensbeendigung
Rz. 38
Durch die Klageerhebung nach § 64 FGO wird das Klageverfahren an- bzw. rechtshängig. Abgeschlossen wird das Verfahren sodann durch eine gerichtliche Entscheidung, wenn nicht zuvor eine Klagerücknahme durch den Kläger i. S. d. § 72 FGO erfolgt, das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen des Klägers und des Beklagten einvernehmlich beendet wird oder das Verfahren ausnahmsweise ohne streitige Entscheidung aus dem Prozessregister gelöscht wird.
Die – ggf. nach Einwilligung des Beklagten – wirksame Klagerücknahme beendet somit das Verfahren in formeller Hinsicht; der daraufhin nach § 72 Abs. 2 S. 2 FGO zu erlassende Einstellungsbeschluss hat nur deklaratorische Bedeutung (Rz. 48). Durch eine wirksame Klagerücknahme entfallen kraft Gesetzes nach § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO die Folgen der Rechtshängigkeit. Das Verfahren gilt rückwirkend als nicht anhängig geworden. Nach Wirksamwerden der Klagerücknahme kann weder die Hauptsache gem. § 138 FGO für erledigt erklärt noch ein Änderungsbescheid nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens werden.
Rz. 39
Ein bereits ergangenes, aber noch nicht rechtskräftiges Urteil wird nach einer wirksamen Klagerücknahme gem. § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zum BFH wird gegenstandslos. Die Rechtsfolgen der Rücknahme während des Revisionsverfahrens sind vom BFH aus Gründen der Rechtsklarheit vom BFH ausdrücklich auszusprechen. Wenn der BFH im Rechtsmittelverfahren feststellt, dass ein Urteil wegen einer vor Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung erklärte Klagerücknahme nicht hätte ergehen dürfen, hebt er das Urteil auf und gibt die Sache an das FG zurück, damit dieses einen Einstellungsbeschluss gem. § 72 Abs. 2 S. 2 FGO erlässt. Die klageabhängigen Nebenverfahren (z. B. wegen Aussetzung der Vollziehung und Prozesskostenhilfe) werden durch eine Klagerücknahme unzulässig.
Rz. 40
Die Rücknahmeerklärung hat unmittelbare Gestaltungswirkung nur für das jeweilige anhängige Verfahren, in dem sie abgegeben wird und kann daher bei mehreren, den gleichen Streitgegenstand betreffenden Verfahren auch nur das zurückgenommene Verfahren beenden. Im Fall der Streitgenossenschaft nach § 59 FGO kann jeder Streitgenosse seine Klage unabhängig von den anderen Streitgenossen zurücknehmen (vgl. auch Rz. 22 und Rz. 50).
Rz. 41 einstweilen frei
Rz. 42
Ein Anspruch auf Prozesszinsen besteht auch, wenn nach der Änderung des angefochtenen Bescheids die Klage zurückgenommen wird; in diesem Fall liegt eine "Erledigung des Rechtsstreits" i. S. d. § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO vor.
5.2 Erneute Klageerhebung
Rz. 43
Aufgrund der nur prozessualen Wirkung der Klagerücknahme wäre ein Kläger nach Rücknahme aufgrund des § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 269 Abs. 6 ZPO grds. nicht gehindert, erneut Klage in derselben Sache zu erheben. Diese Möglichkeit wird durch § 72 Abs. 2 S. 1 FGO für fristgebundene Klagen allerdings abschnitten. Die Rücknahmeerklärung hat insoweit den Verlust der Klage zur Folge. Nach ihrem klaren Wortlaut schließt diese Regelung die erneute Klageerhebung unabhängig davon aus, ob diese noch binnen offener Klagefrist oder erst nach Verstreichen der Klagefrist erfolgt. In beiden Fällen ist die erneute Klage als unzulässig zu verwerfen.
Rz. 44
§ 72 Abs. 2 S. 1 FGO ordnet den Verlust der Klage jedoch nur an, soweit nach der Klagerücknahme eine erneute Klageerhebung erfolgt. Sind hingegen wegen desselben Verwaltungsakts zwei Klagen fristgerecht erhoben worden und ist die zweite Klage wegen Rechtshängigkeit der Sache zunächst unzulässig, wächst die zweite Klage nach Rücknahme der ersten Klage in die Zulässigkeit hinein. Gleiches gilt, wenn die erste Klage (z. B. mangels Vollmacht) unzulässig war und zurückgenommen wird.
Rz. 45
Die Rechtsfolge des § 72 Abs. 2 S. 1 FGO findet hingegen auf nicht fristgebundene Klagen keine Anwendung. Daher können Feststellungs- und allgemeine Leistungsklagen auch nach Rücknahme der ersten Klage erneut erhoben werden. Ebenso soll die Rücknahme einer Untätigkeitsklage der Zulässigkeit einer nochmaligen Untätigkeitsklage nicht entgegenstehen.