Rz. 64
War die Ausschlussfrist wirksam gesetzt und abgelaufen, kann das Gericht verspäteten Vortrag nur zurückweisen, wenn die Zulassung weiterer Erklärungen oder Beweismittel nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Der BFH hat sich zur Auslegung des § 76 Abs. 3 FGO auf einen sog. absoluten Verzögerungsbegriff berufen, wonach eine Verzögerung nur dann eintritt, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung der verspäteten Erklärungen oder Beweismittel länger als bei deren Zurückweisung dauern würde. Danach kann es keinesfalls zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommen, wenn eine Erledigung in der ersten vom FG nach pflichtgemäßem Ermessen terminierten mündlichen Verhandlung möglich ist. Diese Überlegung gilt für § 79b FGO entsprechend. Demgegenüber ist bei dem relativen Verzögerungsbegriff die vermutliche Verfahrensdauer nach Zulassung des verspäteten Vortrags mit der vermutlichen Verfahrensdauer zu vergleichen, die eingetreten wäre, wenn der Vortrag rechtzeitig erfolgt wäre.
Rz. 65
Die Streitfrage ist deshalb von geringer Bedeutung, weil das erforderliche Maß der Verzögerung im Gesetz nicht festgelegt ist, es vielmehr insoweit auf die freie Überzeugung des Gerichts ankommt. Damit lassen sich extreme Ergebnisse korrigieren. Die Verzögerung kann sich auch erst nach der Zulassung und Auswertung des verspäteten Vortrags herausstellen. Wird etwa aufgrund einer trotz verspäteten Vortrags durchgeführten Beweisaufnahme eine weitere Zeugenvernehmung notwendig, kann darin erst die Verzögerung liegen. Es kann dann von der weiteren Zeugenvernehmung abgesehen und der gesamte verspätete Vortrag, also auch das Ergebnis der ersten Beweisaufnahme, unberücksichtigt bleiben. Verspäteter Vortrag kann nur dann zur Verzögerung führen, wenn er für die Entscheidung des Gerichts erheblich ist. Ist die Sache nach Fristablauf noch nicht entscheidungsreif, weil wegen anderer Punkte ohnehin noch eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, kann es an der Kausalität des verspäteten Vortrags für die Verzögerung fehlen. Das Gericht kann unter Zurückweisung verspäteten Vortrags seine prozessualen Möglichkeiten zur Entscheidung des Rechtsstreits, etwa durch Trennung nach § 73 FGO oder den Erlass eines Teilurteils oder eines Zwischenurteils über den Grund, nutzen. Aus diesen Vorschriften ist kein Grund ersichtlich, die Präklusion nicht zuzulassen, wenn jeweils die Voraussetzungen der genannten Vorschriften vorliegen. Führt der verspätete Vortrag zur Erledigung der Hauptsache, darf er allerdings nicht zurückgewiesen werden. Denn dann würde nicht seine Zulassung, sondern seine Zurückweisung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
Rz. 66
Ob durch Zulassen verspäteten Vortrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde, unterliegt der freien Überzeugung des Gerichts. Das Gericht, nicht der Vorsitzende oder der Berichterstatter, hat hier nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung ist in der Revisionsinstanz überprüfbar. Es kann vom Gericht jedoch über die Frage, ob eine Verzögerung eintreten würde, keine die Entscheidung ihrerseits verzögernde Beweisaufnahme durchgeführt werden. Das Gericht hat immer eine Einzelfallprüfung durchzuführen.