2.1.1 In der mündlichen Verhandlung
Rz. 15
Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die das Urteil fällenden Richter sollen sich bei Streit oder Unklarheiten über den der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt eine auf eigener unmittelbarer Wahrnehmung beruhende Überzeugung bilden. Dieser persönliche Eindruck der entscheidenden Richter ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es auf die Glaubwürdigkeit von Zeugen ankommt. Die Beweisaufnahme ist also i. d. R. vor dem vollen Senat innerhalb der mündlichen Verhandlung in Fünferbesetzung durchzuführen. Wenn die Beweisaufnahme innerhalb der mündlichen Verhandlung stattfindet, werden auch alle Beteiligten dazu geladen und haben daher die Möglichkeit, daran teilzunehmen. Dieser alle Prozessordnungen beherrschende Grundsatz führt bei größeren Spruchkörpern häufig dann zu praktischen Schwierigkeiten, wenn Beweisaufnahme und Entscheidung nicht innerhalb eines Verhandlungstermins abgeschlossen werden können oder wenn die Beweise außerhalb des Gerichtsorts zu erheben sind. Das Gesetz selbst hat daher in § 79 Abs. 3 FGO und § 81 Abs. 2 FGO Ausnahmen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zugelassen. Zur Beweisaufnahme per Videokonferenz s. § 93a FGO. Ein Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme kommt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht in Betracht, da dort keine mündliche Verhandlung erforderlich ist. Weitere Ausnahmen sind von der Rspr. anerkannt worden. Das Gericht ist allerdings nicht auf die Angaben eines Zeugen in der mündlichen Verhandlung beschränkt, sondern kann sämtliche Tatsachen und Hinweise sowie frühere Aussagen zur Gesamtwürdigung heranziehen.
2.1.2 Unmittelbarkeit
Rz. 16
Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gebietet weiter, dass das Gericht sich möglichst einen unmittelbaren eigenen Eindruck vom streitigen Sachverhalt verschafft, d. h., dass bei mehreren zur Auswahl stehenden Beweismitteln die Beweisaufnahme mit demjenigen Beweismittel durchzuführen ist, das den unmittelbarsten Eindruck vermittelt. Die Erhebung des unmittelbaren Beweises geht dem nur mittelbaren Beweismittel vor. Ein mittelbares Beweismittel kann nur verwendet werden, wenn die Erhebung des unmittelbaren Beweises unmöglich, unzulässig oder unzumutbar erscheint. So ist, wenn es um gegenwärtige Umstände geht, eine Augenscheinseinnahme (Ortsbesichtigung) anstelle einer Zeugenvernehmung durchzuführen, ist ein Zeuge, der den streitigen Sachverhalt aus eigenem Erleben kennt, dem Zeugen vom Hörensagen vorzuziehen, ist der Zeuge grds. anzuhören und nicht in Form des Urkundsbeweises nur ein Protokoll einer früheren Aussage heranzuziehen, ist ein neues Sachverständigengutachten anzufordern und nicht auf ein früheres, in einem vergleichbaren Fall angefertigtes Gutachten zurückzugreifen. Wegen der Einholung von schriftlichen Zeugenaussagen vgl. § 82 FGO i. V. m. § 377 Abs. 3 ZPO.
2.1.3 Verzicht
Rz. 17
Auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme können die Beteiligten verzichten. Beabsichtigt das Gericht, von diesem Grundsatz abzuweichen, und liegt kein Fall des § 79 Abs. 3 FGO vor, sollte es die Zustimmung der Beteiligten vorher herbeiführen und nicht auf einen Rügeverzicht oder -verlust bauen. Eine Zeugen- oder Sachverständigenvernehmung per Videokonferenz ist gem. § 91a Abs. 2 S. 1 FGO auf Antrag möglich. Zu Einzelheiten der Rüge von Verfahrensmängeln s. auch § 120 FGO Rz. 40ff.